taz-Thema der Woche

Wulff ist weg. Es lebe Gauck?

■ betr.: „Es ist Zeit für eine Frau“, taz vom 20. 2. 12

Kathrin Göring-Eckardt wäre eine sehr gute Präsidentin. Sie besitzt feste moralische Grundsätze, tritt für Minderheiten ein und ist fest verwurzelt in der Evangelischen Kirche. Ihre Wortbeiträge in politischen Diskussionen sind überzeugend, in der Debatte über Thilo Sarrazin hat sie ihn damals argumentativ entblößt.

Diese Frau wäre für mich die erste Wahl. MARTIN BRÖMER, Iserlohn

■ betr.: „Es ist Zeit für eine Frau“, taz vom 20. 2. 12

Auch wenn die Seite heute morgen schon überholt war: Gut, dass sie doch noch erschien! Ich fand es empörend, dass sofort nach dem Rücktritt nur Männernamen fielen – als gäbe es keine qualifizierten Frauen für das Amt! Als hätten wir nicht seit 65 Jahren immer nur männliche Kanzler und männliche Präsidenten gleichzeitig gehabt – da kann mann doch wohl nicht ernstlich glauben, dass zwei Frauen an der Spitze nicht gingen?! Genauso ärgert mich schon ewig, dass in allen großen Polit-Talkshows wie eh und je (außer Moderation) meist nur eine einzige Renommier-Frau sitzt. Das nervt! Also bitte: Bringt das Thema so oft ihr könnt. Man kann es gar nicht genug betonen: Schlips ab zur Weiberfastnacht reicht nicht!

DAGMAR DORSTEN, Berlin

■ betr.: „Es ist Zeit für eine Frau“, taz vom 20. 2. 12

Eure Liste der Frauen, die angeblich das Format zur Bundespräsidentin hätten, trieft vor Konservatismus. Alle stammen aus den Spitzenpositionen der staatlichen oder kirchlichen Administration. Alle sind studiert und privilegiert. Eine von ihnen soll ins Schloss Bellevue ziehen, um von dort aus mit einer bis ans Lebensende gezahlten Apanage von 200.000 Euro pro Jahr das deutsche Volk zu repräsentieren. Vom Schloss aus das Volk repräsentieren. Klingt alles irgendwie nach Mittelalter. Unter den Kommentaren zu den einzelnen Kandidatinnen fiel mir besonders der zu Margot Kässmann auf. „Kennt auch die Nöte des einfachen Volkes.“ Warum wird nicht gleich jemand aus dem einfachen Volk genommen? Mein ernsthafter Vorschlag wäre: Cindy aus Marzahn. DIETER SCHÖNROCK, Hamburg

■ betr.: „Es ist Zeit für eine Frau“, taz vom 20. 2. 12

„Es ist Zeit für eine Frau“, schreibt die taz zum Amt des Bundespräsidenten. Danke für so viel Selbstentlarvung.

Die „Frauenfrage“ wird benutzt zur Restaurierung eines überflüssigen und lächerlichen Amtes.

Feminismus im Dienst des Systems.

Wenn es Zeit für etwas ist, dann für eine gründliche Demokratisierung der BRD. Und das hieße zum Beispiel Abschaffung dieses Amtes, durch das die Bürger nicht ernst genommen werden und das entpolitisieren soll. THOMAS MOSER, Berlin

■ betr.: „Und der ist jetzt der Richtige?“, taz vom 21. 2. 12

Ja, eine wirklich gute Wahl. Das wird der Bundespräsident mit der größten Schnittmenge zu allen demokratischen Richtungen.

ALFRED MAYER, München

■ betr.: „Und der ist jetzt der Richtige?“, taz vom 21. 2. 12

Herzlichen Glückwunsch, Herr Gauck! Sie sind der Richtige in dieser Zeit. Geben Sie diesem Deutschland wieder Zuversicht, Anstand und Augenmaß zurück, nach innen wie nach außen. Selbstbewusstsein und Bescheidenheit, Mut und kreatives Denken, Natürlichkeit und Würde. Das alles vertreten Sie glaubwürdig und mit Stil. Halten Sie die Freiheit des Denkens weiter hoch. Viel Glück und Kraft im hohen Amt des Bundespräsidenten für unsere Republik. Das wünsche ich Ihnen. DIETRICH KOCH-HEINTZELER, Stuttgart

■ betr.: „Und der ist jetzt der Richtige?“, taz vom 21. 2. 12

Man kann sicher zu Gauck unterschiedlicher Ansicht sein; eine Meinung, mein Vater ist geeigneter als Gauck, weil er schon 50 Jahre statt 20 Jahre Bundesrepublik hinter sich hat, gehört in die Bild, nicht in die taz. JÖRG NAWROCKI, Volkertshausen

■ betr.: „Und der ist jetzt der Richtige?“, taz vom 21. 2. 12

Gauck wähnt aus seiner Geschichte her, dass die größte Gefahr für die Freiheit von staatlicher Seite dräut. Abgesehen davon, dass die Freiheit derzeit bei uns kaum gefährdet ist, kommen die vorhandenen Gefährdungen eher von Internetkonzernen. Viel gefährdeter als die Freiheit ist ein gewisses Maß an notwendiger Gleichheit beziehungsweise Begrenzung der Ungleichheit, ohne die der Zusammenhalt der Gesellschaft gefährdet ist. Gerade auch die von Gauck belächelte Occupy-Bewegung hat erst wieder Denkräume eröffnet, zum Beispiel zum Thema Höchsteinkommen. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, wie in der DDR, sondern um eine durch das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen bedingte Begrenzung der Ungleichheit. Gauck muss also noch weiter denken und in die Anforderungen des Amtes erst noch hineinwachsen. MARKUS STROBL, Berlin

■ betr.: „Gibt es einen Gegenkandidaten?“, taz.de vom 20. 2. 12

Das Drama an der bevorstehenden Wahl ist nicht, dass sich an der Wahl des Kandidaten unverzichtbar Politiktendenzen ablesen lassen werden, sondern dass er irgendwie à la DDR als Alleinkandidat aufgestellt wird und so mit 99,9 Prozent der Wahlberechtigten durchgewinkt werden wird. HAUPTSTADTINDIANER, taz.de

■ betr.: „Präsident in spe. ‚Der Überschätzte‘, ‚Der Flexible‘ “,taz vom 20. 2. 12

Verkehrte Welt. Da hätte ausgerechnet Merkel doch mit Töpfer gern einen fast schon sozialliberal angehauchten Kandidaten gehabt – und Rot-Grün gibt der FDP die Steilvorlage, den neoliberalsten zu habenden Kandidaten durchzusetzen. Klar, das eigentliche Merkel-Argument gegen Gauck – da müssten wir ja einen Fehler zugeben – ist schwach, umso richtiger allerdings das vorgeschobene: nicht breit genug aufgestellt. Jemand wie Gauck würde in der Ukraine oder vielleicht Ungarn jetzt vermutlich guttun, seine Themen sind nicht falsch, aber zur falschen Zeit am falschen Ort: Totalitarismus ist nicht das aktuelle Problem der BRD.

Wir werden Wulff noch bitter vermissen. Vielen Dank noch mal für die Worte zur Integration! SILKE KARCHER, Berlin

■ betr.: „Gauck noch mal“, taz.de vom 19. 2. 12

Im machtpolitischen Poker, in dem nun auch die Grünen kräftig und staatstragend mitmischen, wurde ein Kandidat gekürt, dessen erster medialer Auftritt unmittelbar nach der Nominierung (hatte er eigentlich bereits vor der Tür gewartet?) von einer fast peinlichen Eitelkeit geprägt war und der sich nicht einmal wenigstens formell eine kurze Bedenkzeit ausbat. Nun kann man mit einem vor Eitelkeit strotzenden Kandidaten notfalls leben; schließlich plagen uns die meisten PolitikerInnen mit dieser Eigenschaft.

Schlimm wird es allerdings, wenn ein solcher Kandidat, der als Bundespräsident alle Menschen in der Republik repräsentieren soll, meint, auf populistische Strömungen aufspringen zu müssen und Thilo Sarrazins unsäglichen Thesen Beifall zollt. Noch schlimmer wird es aber, wenn SPD und Grüne vor lauter machtpolitischem Kalkül die langen und ausführlichen Interviews des Herrn Gauck zu Sarrazins Thesen in verschiedenen Printmedien ignorieren beziehungsweise beiseitewischen. Auch Hartz-IV-EmfängerInnen kommen bei dem nun nominierten Kandidaten schlecht weg. Nach dem ersten Bundespräsidenten, der auch die hier lebenden MigrantInnen in sein Blickfeld genommen hat, ist zu befürchten, dass für sie nach der Zeit des Aufbruchs Zeiten der Gleichgültigkeit oder schlimmstenfalls der Ablehnung folgen werden. Heute nun verkündete Herr Gauck, dass er Deutschland liebe. Wie schön und populistisch! In diesem Zusammenhang fällt mir Gustav Heinemann ein. Er war einstmals auch Bundespräsident. Er antwortete auf die Frage, ob er Deutschland liebe: „Kann man ein Land lieben? Ich liebe meine Frau!“ Ja, das waren noch Zeiten! RITA KANTEMIR-THOMÄ

■ betr.: „Spalten statt versöhnen“, taz vom 21. 2. 12

was versteht joachim gauck unter freiheit? es ist nun mal so, dass man sich stets zwischen zwang und wahl bewegt. es hilft nur demagogen, die freiheit negativ zu definieren, als das fehlen von zwang. vielmehr bedeutet freiheit das eröffnen von möglichkeiten, wie sie zum beispiel entstehen, wenn die arbeitszeit verkürzt wird, oder wenn die analphabeten dieser erde lesen und schreiben lernen.

ANTONIOS RIZOS, Bochum

■ betr.: „Spalten statt versöhnen“, taz vom 21. 2. 12

In den letzten Tagen (und Wochen) war die Berichterstattung ausgewogener: Ihr habt die Frage gestellt, ob das Amt noch erforderlich ist, ihr habt Frauen vorgestellt, ihr habt an jüngere Kandidaten gedacht, die nach vorn denken können. Jetzt bekommen wir einen Bundespräsidenten mit moralischer Integrität, einen Mann mit Charisma. Er soll Deutschland nur repräsentieren – zur Veränderung reicht seine Macht sowieso nicht. Vielleicht wünschen wir uns einen Vordenker, der in seinen Reden Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie von unten propagiert. Vielleicht sind wir aber noch nicht so weit. Jedenfalls kein Banker, kein Parteienkandidat, kein Speichellecker, kein Kleindenker. Er wird weite Teile der Bevölkerung repräsentieren. Auch vor ihm gab es Persönlichkeiten, die sich im Amt weiterentwickelt haben. Herrn Gauck ist es zuzutrauen! Chance verpasst? Ja! Aber der falsche Kandidat? Nein! NORBERT VOSZ, Berlin

■ betr.: „Politik des Zuhörens und Gehörtwerdens“, taz vom 21. 2. 12

Mit ihrem Parcours für einen Bundespräsidenten Gauck mit seinem antiquierten, unsozialen Freiheitsverständnis und seiner mangelnden Sensibilität für das heute notwendige (und sichtbare) BürgerInnenengagement haben die Grünen für mich ihren letzten Kredit verspielt, von der SPD nicht zu reden. MANFRED LIEBEL, Berlin

Monatelang wartet die Republik auf den Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident. Am vergangenen Freitag war es dann so weit: Er trat von seinem Amt zurück und Horst Seehofer übernahm bis zur Wahl eines neuen Bundespräsidenten die Amtsgeschäfte.

Die Bundesregierung (FDP und Union) will sich zusammen mit SPD und Grünen – ohne die Linke und die Piraten – auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Als Favoriten gelten Klaus Töpfer, Wolfgang Huber und Joachim Gauck. Kandidatinnen wurden nicht genannt.

Die FDP votiert für den bereits 2010 von Grünen und SPD favorisierten Joachim Gauck. Diesen lehnt Bundeskanzlerin Angela Merkel ab. Klaus Töpfer wird von der FDP strikt abgelehnt. Eine Eskalation droht.

Doch Sonntagabend präsentieren dann Koalition und Opposition Joachim Gauck als neuen Bundespräsidentenkandidaten.