Hamburg aktiv

Die Stadt erlebte ein Wochenende der Aktionen: 1. Mai-Demo des DGB und alternativer Euromayday, Hundehalter protestieren gegen Leinenzwang und auf dem Süllberg wird Büffet-Reichtum umverteilt

Von Kai von Appen

Nicht das schöne Wetter, sondern bedrohlich ernste Themen brachten am Wochenende mehr als 13.000 Menschen in Hamburg auf die Straßen: Allein etwa 7.000 beteiligten sich an den traditionellen 1. Mai-Kundgebungen des DGB gegen Sozialabbau und Arbeitsplatzverlust in der City sowie in Harburg und Bergedorf. Das offizielle DGB-Motto traf vor allem den Nerv der von Jobverlust bedrohten 1.000 Phoenix-MitarbeiterInnen: „Du bist mehr. Mehr als eine Nummer. Mehr als ein Kostenfaktor. Du hast Würde. Zeig‘ sie!“ Am Nachmittag setzte sich dann vor der Michaeliskirche die erste deutsche Euromayday-Parade mit 4.000 TeilnehmerInnen in Bewegung, die auf die „Entsicherung aller Lebensbereiche“ als globale Entwicklung unter dem Stichwort „Prekarisierung“ aufmerksam machen sowie eine alternative Wertediskussion in Gang setzen möchte.

Dass auch die Gewerkschaften mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert werden, zeigte sich an der Baustelle der stadtstaatlichen Hamburg-Messe: Aktivisten der IG BAU enterten einen Kran und entrollten ein Transparent: „Hier werden 100 türkische Wanderarbeiter ausgebeutet – durch Lohndumping.“ (Foto oben links).

In ihrer Rede auf dem Großneumarkt ging Franziska Wiethold vom ver.di-Bundesvorstand auch auf die jüngste Kapitalismus-Debatte ein: „In Deutschland geht ein Gespenst um, das Gespenst des Klassenkampfes.“ Sie sprach sich für eine härtere Gangart der Politik gegen „raffgierige“ Unternehmen aus, die „nur noch ihre Profite und nicht mehr die Menschen sehen“. Es müsse der Mär, dass längere Arbeitszeiten bei Lohnverzicht Arbeitsplätze schafften oder retteten, entgegengetreten werden. „Dann müssten wir schon lange Vollbeschäftigung haben,“ so Wiethold, die auch Ein-Euro-Jobs kritisierte: „Mit diesem Teil von Hartz IV werden wir unseren Frieden nicht machen, auch wenn wir die Auseinandersetzung letztes Jahr verloren haben“, sagte sie, worauf sie empörte Zwischenrufe erntete: „Aber mit dem Rest?!“ Wiethold betonte, dass alle wüssten, dass Ein-Euro-Jobs zur Verdrängung normaler Arbeitsplätze führen.

Auch Dirk Hauer von der Sozialpolitischen Opposition nahm sich auf der Euromayday-Parade dieses Themas an. Noch nie sei Arbeit so „entsichert“ gewesen wie heute. „Wenn jemand nicht gebraucht wird, wird er entlassen oder die Produktion verlagert.“ Und wenn eine entlassene Krankenpflegerin sich plötzlich für einen Euro im selben Heim wiederfindet, dann müsse dieses System bekämpft werden.

Dass der soziale Widerstand gegen die „neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“ vernetzt werden müsse, ist eine Erkenntnis der Studierenden aus ihrem Widerstand gegen die Studiengebühren. Die Studierenden nahmen erstmals als Gruppierung an der 1. Mai-Demonstration und der Euromayday-Parade teil. Ein Sprecher: „Es geht nicht nur um Studiengebühren, es geht um den gesamten Sozialabbau oder um die Kürzungen im Gesundheitsbereich.“

Bereits am Samstag waren in der City 2.500 HunderhalterInnen nebst ihren Vierbeinern – ein illustres Spektrum von Bürgertum bis Punks – auf die Straße gegangen, um gegen die Pläne des Senats zu prostestieren, in der Elbmetropole den generellen Leinenzwang einzuführen, sofern für Hund und Halter kein „Sachkundenachweis“ vorliegt. Damit würden „Besitzer gut erzogener und gut sozialisierter Hunde keinen Deut besser gestellt – im Gegenteil“, schimpft Jule Thumser von der „Hunde-Lobby“.

Sie fordert daher einen „Sachkundenachweis“, der am Menschen festgemacht werde und die Verantwortung für die Leine zurück in die Hand des sachkundigen und veranwortungsbewussten Hundehalters gebe, so Thumser: „Der Mensch ist das Problem, nicht der Hund.“