60 Minuten tiefer Schlaf

Hertha BSC verliert beim abstiegsgefährdeten FC Hansa Rostock 1:2, verpasst den Sprung auf einen Champions-League-Platz und ist selbst dran schuld: Die ersten 60 Minuten habe sein Team schlichtweg gar nichts gemacht, gibt Trainer Götz offen zu

AUS ROSTOCK DIRK BÖTTCHER

Am Ende legte sich Zecke Neuendorf mit jedem an. Mit den Hansa-Spielern, mit Schiedsrichter Peter Sippel und mit der grau uniformierten Eingreiftruppe, die die Pfeifen- und Fähnchenträger am Mittelkreis vor Berliner Aggressionen schützen musste. Dabei war noch gar nicht 1. Mai. Selbst der kleine Bastürk stänkerte mit. So endete ein Spiel, in dem mit harten Bandagen gekämpft wurde, mit Schubsen und Trikotzerren.

Peter Sippel ist aber der Letzte, bei dem sich Hertha über die 1:2 Niederlage in Rostock beschweren sollte. Phasenweise war der überforderte Unparteiische bester Berliner auf dem Platz. Dass die Hertha den Sprung auf Platz 2 der Liga nicht schaffte, hat sie sich und einem leidenschaftlich kämpfenden Gegner zuzuschreiben. „Wir waren nur wütend auf uns selbst“, gestand der nach dem Duschen abgekühlte Drängler Bastürk.

Falko Götz sah bei seiner Mannschaft das „alte Problem, bei den Big Points zu versagen“. Hertha fehlt in entscheidenden Phasen die Konzentration. „Wir haben hier 60 Minuten verschlafen. Vielleicht wurde etwas viel geredet in letzter Zeit“, murrte der Trainer über das voreilige Champions-League-Schwärmen der vergangenen Tage. Auch Dieter Hoeneß schlug der Presse vor: „Lasst uns davon jetzt nicht mehr reden.“

Die vermeintliche Wunderelf jedenfalls ist erst mal entzaubert. Hertha ist auch nur eine Mannschaft, die sich mit bedingungslosem Anrennen kleinkriegen lässt, und der magische Brasilianer Marcelinho ist auch nur ein Kicker mit roten Schuhen, der von einem 21-jährigen Blondschopf aus Vorpommern kaltgestellt wurde. Der aus Greifswald stammende Tim Sebastian meldete in seinem fünften Bundesligaspiel den Rotschuh vollends ab und erzielte mit einem strammen Flachschuss das 1:0 (45.). „Auf so einen Moment habe ich all die Jahre hingearbeitet“, sagte der glücklich strahlende Defensivspieler. Hansa bot seinem frenetischen Anhang einen begeisternden Sturmlauf und bestätigte damit die Weisheit, dass man nicht absteigt, weil die anderen besser sind, sondern weil man selbst zu blöd ist. Wer zu Hause Stuttgart und Berlin nacheinander derart abfertigt, müsste sich beim Gang in die Zweite Liga vor Ärger selbst vors Schienbein treten.

Da auch Gladbach gewann, stehen die Rostocker nach dem vierten Heimsieg in Folge allerdings genauso da wie zuvor. „Leider sind noch immer mehr Mannschaften über als unter uns“, veranschaulichte Jari Litmanen. Er war wieder einmal der überragende Spieler und schoss beim 2:0 (70.) sein erstes Bundesligator.

Der Anschluss von Bastürk (73.) war ein zu später Weckruf. Der kleine Dribbler und Drängler sagte aber beim Verlassen des Stadions: „Wir spielen eine gute Saison. Das war heute unser erstes schlechtes Spiel, also brauchen wir uns deswegen nicht von einer Krise reden. Wir sollten uns jetzt aber erst mal auf einen Uefa-Pokal-Platz konzentrieren.“ Für Rostock ist es da einfacher. „Uns hilft jetzt kein Wenn oder Aber. Jetzt heißt es nur noch ‚Alles oder nichts‘, sagte Jörg Berger.