Schalke spielt den Coolen

Der Tabellenzweite zeigt beim 3:3 gegen Leverkusen, warum er nicht zum Meister taugt und unvermindert um den Startplatz für die Champions League bangen muss

GELSENKIRCHEN taz ■ Im Falle einer verpassten Meisterschaft ist der schönste Platz an der Theke. Daran hielt sich am Samstagnachmittag auch Rudi Assauer. Doch der Schalke-Manager stand keineswegs feuchttraurig neben der Zapfsäule im Presseraum der Arena, sondern ziemlich gefasst und leise. Obwohl der Gelsenkirchener an diesem Tag seinen 61. Geburtstag feierte, trank er kurz nach Spielende nicht das obligatorische Pilsbier, sondern schaute konzentriert Stadion-TV. Eine Standardsituation des deutschen Fußballs: Der Unterlegene muss auch noch live mit ansehen, wie der FC Bayern München mal wieder Meister wird und wie sich die Sieger Weißbier über ihre Köpfe schütten.

Fast ein wenig einstudiert wirkte die demonstrativ gelassene Verliererpose des Managers nach dem 3:3-Heimremis gegen Bayer Leverkusen und dem damit verbundenen Titelgewinn der süddeutschen Konkurrenz. Assauer, der coole Verlierer. Assauer, der dem Rivalen gestern gönnerhaft in der BamS gratulierte. Assauer, der den Bayern nicht einmal die Gaudi gönnt, sich öffentlich zu grämen. Gewiss, nach der jüngsten Niederlagenserie hatten die Königsblauen das Championat bereits verloren gegeben. Doch so gefasst und routiniert wie am Samstag hat man Schalke selten verlieren sehen.

Auch die Schalke-Fans unter den 61.524 Zuschauern in der ausverkauften Arena waren ihrer Mannschaft nicht böse. Kaum Pfiffe, keine einzige Träne, stattdessen ein paar Anti-Bayern-Sprechchöre – die Anhängerschaft reagierte beinahe so gelassen wie der große Boss mit der Zigarre. Kein Vergleich zum traumatischen Meisterschaftsfinale von 2001, als die ohnehin fragile Schalker Seele nach dem hauchdünn verpassten Titel schweren Schaden genommen hatte. Zu deutlich war in den abgelaufenen 90 Minuten die fehlende Meisterschaftsreife der Schalker demonstriert worden. Der Traditionsclub aus dem Ruhrgebiet hat eine wettbewerbsfähige Bundesliga-Spitzenmannschaft, aber der zusammengekauften Truppe fehlen Konstanz, Klugheit und jene Arroganz des designierten Siegers, die sich – wie im Fall München – regelmäßig paart mit Fortüne und Momentum.

Die Mängelliste ist lang für einen Tabellenzweiten: So konnte die teure Abwehrreihe um Marcelo Bordon und Mladen Krstajic gegen Leverkusen zu keinem Zeitpunkt Sicherheit und Stabilität herstellen. Dem Bayer-Spieler Paul Freier gestattete die Defensive nach 23 Minuten einen Freischuss aus sechs Metern. Auch in der Offensive stolperten die formschwachen Schalker Akteure Asamoah und Rodrigez umher. In Führung ging die Heimelf nur, weil Regisseur Lincoln zwei 30-Meter-Freistöße gegen den doppelt unglücklich postierten Leverkusener Torwart Jörg Butt verwandeln konnte. Eine der wenigen schönen Schalker Kombinationen verwertete Ebbe Sand vor der Pause dann zum zwischenzeitlichen 3:1.

Ein designierter Champion hätte dieses Resultat gegen traditionell auswärtsschwache Leverkusener verwaltet – oder ausgebaut. Schalke aber ließ sich in Halbzeit zwei in ein Foulspiel-dominiertes Kampfspiel verwickeln – und kassierte zwei dümmliche Kontertore durch Berbatow und Woronin.

„Das Ergebnis ist ein Witz“, sagte Ralf Rangnick nach Spielende und verwies auf die zahlreichen guten Torchancen seines Teams. Der Schalke-Trainer wollte trotz der zahllosen Abspielfehler, Querschläger und Defensivpatzer gar ein „gutes Spiel“ gesehen haben. Auch die coole Verliererpose kriegte er nicht so gekonnt hin wie sein Vorgesetzter. „Glückwunsch“, presste Rangnick beinahe verkrampft hervor, als ihm bei der Pressekonferenz eine Reaktion zum Münchener Titelgewinn abverlangt wurde. Die Übellaunigkeit hatte Gründe: Drei Spieltage lang muss Schalke jetzt Vize-Meisterschaft und Champions-League-Platz gegen die Konkurrenz verteidigen.

MARTIN TEIGELER