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: Statt Leben nur eine Lücke

„betrifft: Verschollen in der Psychiatrie“, 22.30 Uhr, SWR

Es müsste die einfachste Frage der Welt an einen Arzt sein: Trifft die Diagnose, aufgrund deren ein Patient seit Jahrzehnten hospitalisiert ist, tatsächlich zu? Im Fall von Vera Svilans ist es die schwerste Frage der Welt. Ist die alte Frau zu Recht wegen Schizophrenie seit bald 60 Jahren in der Psychiatrischen Anstalt Wiesloch? „Das kann man heute nicht mehr sagen“, antwortet die behandelnde Ärztin nüchtern und klar. Wahrscheinlich ist ihr nicht klar, was sie da Ungeheuerliches sagt. Mario Damolin, Autor der 45-minütigen Doku, schweigt dazu. Er lässt die Worte nachhallen – und macht sich dann daran, das Leben einer Frau zu rekonstruieren, der kein Leben vergönnt schien.

Mit 20 Jahren flieht Vera Svilans vor der Roten Armee aus Lettland nach Deutschland. Sie ist von ihrer Familie getrennt, schlägt sich aber als Aushilfe durch. Erst als sie sich einen Arm bricht, beginnt ihre Krankengeschichte – und endet schon bald in der Psychiatrie. 1946 wird sie in Wiesloch eingewiesen und kommt nie wieder heraus. Ob sie nicht eher depressiv statt schizophren war? Die wenigen vorhandenen Krankenakten legen dies nahe, doch in der Klinik kümmert sich keiner um Einsicht – und Svilans ist so verstört, dass sie eines Tages ganz verstummt.

Ihre Schwester sucht sie zwar, doch sie hat über 50 Jahre kein Glück: Der Suchdienst des Roten Kreuzes übersieht, dass „Vera“ nur der Rufname von Veronika Svilans ist. Als sich die Schwestern doch noch wiedersehen, ist es jedoch zu spät für Vera – sie bleibt stumm. Ruhig und doch schneidend präzise führt Damolin vor, wie aus ihrem Leben eine Leerstelle wurde. HPi