Das Millionen-Dollar-Hotel

Das Plaza Hotel am Central Park bleibt nun doch erhalten, aber der Luxus ist nicht mehr für alle da

In New York gibt es eine Weisheit: „Im Plaza passiert nie etwas Unwichtiges.“ Folglich ist auch der Umbau des Hotels für die Stadt New York wichtig

Neil Johnson, Hotelpage am Seiteneingang des Plaza Hotels in New York, hatte einen Traum. Er wollte seinen und andere Arbeitsplätze im Hotel erhalten. Für die Erfüllung dieses Traums kämpfte er, seit im Januar bekannt wurde, dass der Hotelbetrieb nach der Renovierung stark eingeschränkt wird. Am 14. April 2005 ging sein Traum teilweise in Erfüllung.

Das über dem Plaza Hotel in New York hängende Damoklesschwert wurde zwar an jenem Tag höher gehängt, aber nur ein Stück. Noch immer sieht die Zukunft für das renommierte Haus trister aus als die legendäre Vergangenheit. Bedrohlich für einen Ort, der vor allem davon lebt, dass die Menschen ihn aus nostalgischen Gründen aufsuchen.

Am Samstag, den 30. April 2005, schloss das Hotel zum ersten Mal in seiner 98-jährigen Geschichte die Pforten, seine über 900 Angestellten sind nun erst einmal arbeitslos. Offiziell bleibt das Plaza bis 2007 geschlossen, dann werden die Renovierungs- und Umbauarbeiten beendet sein.

Für Neil Johnson war die Nachricht, die Anfang Januar bekannt wurde, niederschmetternd: Von den 805 Zimmern des Hotels sollten nach der Renovierung nur noch 150 erhalten bleiben. Der Rest würde in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Außerdem sollte ein großer Teil der öffentlich zugänglichen Räume in ein Kaufhaus umgewandelt werden. Als Folge standen nun auch die über 900 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Doch die Gewerkschaft der Hotelangestellten startete mit der Unterstützung der New Yorker Bevölkerung und Bürgermeister Michael Bloomberg eine Medienkampagne, die zwei Millionen Dollar kostete. Das Ergebnis: Das Hotel wird 2007 mit 348 Zimmern wiedereröffnet, 350 Angestellte, mehr als doppelt so viele wie geplant, werden ihren Arbeitsplatz zurückerhalten. Außerdem versprachen die Eigentümer, die Oak Bar, den Palm Court und den großen Ballsaal zu erhalten.

Seit 1907 war das Plaza Anlaufpunkt derjenigen, die auf ein wenig Glanz hofften. Glanz erschöpft sich nicht darin, reich und berühmt zu werden, sondern besteht auch darin, auf dem Weg dorthin etwas von Bedeutung geschaffen zu haben. Dass sich diese Hoffnung wieder erfüllt hat, wird zur Legende des Hauses beitragen. Oder der Legende des Hotelpagen Johnson: Er stellte sich vor die Medien, reiste nach Israel und sprach mit dem Investor und Urheber der Umbaupläne, er gab der Kampagne das Gesicht des einfachen Angestellten.

Das Gesicht New Yorks, Sarah Jessica Parker, feierte im Plaza gerade ihren 40. Geburtstag. Für ein Mädchen vom Land der Beweis, es in New York geschafft zu haben. Wie sie kommt der arrivierte New Yorker seit Jahrzehnten gerne ins Plaza, um am gesellschaftlichen Leben auf hohem Niveau teilzunehmen. Die hier ein- und ausgehende High Society inspirierte den Schriftsteller F. Scott Fitzgerald in den 20ern zu seinem Roman „The Great Gatsby“. Damals, vor der Wirtschaftskrise, war das Hotel ein Treffpunkt, der Literatur- und Theaterszene New Yorks mit dem Geldadel zusammenführte. Der Ruf, dass das Hotel New Yorks gute Stube sei, in dem alles Wichtige und Aufregende passierte, festigte und breitete sich in der Welt aus.

Auch der Immobilientycoon Donald Trump erhielt durch den Erwerb des Plaza eine neue Bedeutung: Ihm gehörte zwischen 1988 und 1995 nun nicht mehr nur halb New York, ihm gehörte die Seele der Stadt. Schon damals ätzte die Presse, das Hotel sei in die Hände eines Parvenü geraten und dies sei der Niedergang des Plaza. Tatsächlich hatte Trump Pläne geschmiedet, „alles modernisieren“ zu wollen und einen Teil des Gebäudes in Wohnungen umbauen zu lassen. Der neureiche Super-GAU wurde jedoch verhindert. Stattdessen überließ Trump seiner damaligen Frau Ivana die Leitung des Hotels zu einem Jahreslohn von einem Dollar und „allen Kleidern, die sie haben möchte“. Die Ehe der beiden Geschäftspartner zerbrach, aber das hinderte Trump nicht daran, hier seine Ehefrau Nr. 2, Marla Maples, zu heiraten.

Zwar trug es zum Ansehen des Hauses bei, dass die Prominenz hier abstieg, der Zustand des Gebäudes aber hat in den letzten Jahren gelitten, eine Renovierung ist in der Tat dringend notwendig. Auch machte das Hotel trotz seines guten Namens im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,8 Millionen Dollar. Vor diesem Hintergrund macht der traurige Plan des neuen Besitzers, Elad Properties, die es dem saudischen Prinzen al-Walid bin Talal und dem Londoner Unternehmen Copthrone & Millenium Hotels abkaufte, fast Sinn. Der Plan: Das Hotel wird filetiert und aufgeteilt. Technisch konnte die Stadt New York diese Entwicklung nicht verhindern, denn nur die Fassade und die Lobby des Hotels stehen seit 1969 unter Denkmalschutz. Doch der Verdruss eines großen Teils der New Yorker Bevölkerung, die an ihrem Plaza hängt, erzeugte eine Dynamik für das Plaza, die Gesetzen weit überlegen war.

In New York gibt es eine Weisheit: „Im Plaza passiert nie etwas Unwichtiges.“ Folglich ist auch der Umbau des Hotels für die Stadt New York wichtig. Tatsächlich wird der öffentlich zugängliche Raum – zugegeben ein luxuriöser öffentlicher Raum, aber immerhin ein Herzstück der Stadt – eingeschränkt. Der Luxus des Hotels wird denjenigen vorbehalten sein, die sich die teuren Appartements leisten können.

Hauptleidtragende des Verlusts dieser Projektionsfläche für Träume sind freilich die Angestellten des Hotels, Menschen wie Johnson. Die waren bisher stolz, im Plaza zu arbeiten, einem der besseren Arbeitgeber der Stadt. Nicht nur erfüllte sie die Bedeutung des Hauses mit dem Gefühl, an etwas Bedeutsamem teilzunehmen. Für viele war es vor allem ihr erster Schritt zur Verwirklichung ihres eigenen Traumes, wodurch sie selbst am Luxus teilnahmen, der sich aus der Manifestation der Träume an diesem Ort ergibt. Darüber hinaus waren die Arbeitsplätze im Plaza beliebt, weil sie ein gutes Auskommen sicherten. Nach eigenen Angaben verdienen selbst ein Doorman an der Seitentüre bis zu 50.000 Dollar im Jahr, Zimmermädchen bis zu 19 Dollar in der Stunde und Kellner bis zu 100.000 im Jahr. Luxus, der wie im Plaza auch aus Dienstleistungen und kleinen Aufmerksamkeiten besteht, hat eben auch einen positiven Effekt auf den Wohlstand der Nichtreichen.

Und obwohl nun rund ein Drittel der Beschäftigten auch nach der Renovierung noch einen Arbeitsplatz im Plaza haben wird, sieht doch für die meisten Angestellten die Zukunft düster aus. Zwar haben die neuen Eigentümer großzügige Abfindungen zugesichert, die Lage ist von einer Klärung jedoch weit entfernt: Bis 2007 weiß niemand, wer von den Angestellten übernommen wird. „Die Situation ist noch völlig offen“, sagte eine Angestellte des Hotels am Samstag und drückt damit wohl am besten aus, was die meisten Angestellten empfinden. Nur eines wissen sie: Bis 2007 sind sie auf jeden Fall arbeitslos, wenn sie auf New Yorks schrumpfendem Hotelmarkt keine neue Anstellung finden. Platzende Hoffnungen.

Dabei schrumpft New Yorks Hotelgewerbe nicht, weil die Zimmer nicht ausgelastet sind, sondern weil die Immobilienpreise in dieser Stadt so hoch sind und feine Renditen beim Verkauf versprechen. Nach und nach werden Häuser wie das Plaza aufgekauft und stückweise an Privatpersonen verkauft. Eine Nacht im Plaza ab 300 Dollar kann sich auch nicht jeder leisten, aber es ist auf jeden Fall ein Ziel, auf das so mancher gerne hinspart. Eine Wohnung am Central Park in New York zu kaufen, ist für den überwiegenden Teil der Amerikaner eine undenkbare Dimension, für wenige eine lohnende Investition.

Der Luxus des Plaza war ein New Yorker Traum und Allgemeingut, an dem jeder teilnehmen konnte, der bereit war, zu träumen. Alles was er dafür tun musste, war, einmal durch die Lobby zu laufen oder auch einmal das Geld aufzubringen und einen Drink an der Oak Bar zu trinken. Wenn das Hotel 2007 wieder eröffnet, wird der große Teil der Legende aber schon der Vergangenheit angehören. Die Mischung aus Kaufhaus, Wohnhaus und Hotel wird nicht mehr das große Plaza sein, das den amerikanischen Traum beherbergt.

Trotz aller Missverständnisse hat dieser Traum noch immer damit zu tun, dass man die Freiheit hat, jener Hoffnung zu folgen, die man in sich trägt. Wenn Neil Johnson also nach der Renovierung nicht mehr am Seiteneingang des Plaza steht, sondern am Haupteingang eines anderen Hotels, dann hat der Mythos „Plaza“ eine Schramme bekommen.

New York verliert durch die Renovierung ein identitätsstiftendes Stück Luxus, das nicht jenen vorbehalten war, die es sich leisten konnten, sondern durch seine Existenz auch allen anderen Hoffnung gab. Die Hoffnung verlässt nun ihre prominente Adresse: Central Park South Ecke Fifth Avenue.