Vom Einzeltäter zum Familienbetrieb

Bei Anschlägen in Ägypten werden sieben Menschen, darunter auch Touristen, verletzt. Möglicherweise handelt es sich um eine Racheaktion für einen in der Haft verstorbenen Angehörigen. Die Bevölkerung fürchtet eine neue Terrorserie

KAIRO taz ■ Nach zwei Anschlägen in Kairo am Samstag heißt die Aufgabe der ägyptischen Regierung Schadensbegrenzung. Nach Angaben des Innenministeriums soll es sich bei den Attentaten nicht um die Tat einer militanten islamistischen Gruppierung, sondern um einen Racheakt gehandelt haben. Bei den räumlich und zeitlich getrennten Anschlägen kamen die drei Täter um, sieben Menschen, darunter auch Touristen, wurden verletzt.

Nach einer Erklärung des Innenministerium handelt es sich bei den Tätern um Verwandte und Bekannte ein und derselben Familie. Bei dem Anschlag in der Kairoer Innenstadt unweit des Nationalmuseums, einem der größten Tourismusattraktionen, hatte sich der Täter laut Innenministerium mit einer Bombe von einer Brücke auf eine Touristengruppe geworfen. Dabei wurden drei Ägypter, ein israelisches Ehepaar, ein Italiener und ein Schwede verletzt. Alle sollen in einem stabilen Zustand sein.

Der Mann wurde angeblich bereits zum Zeitpunkt der Tat von den Sicherheitskräften verfolgt. Es soll sich um Ihab Yousi Yassin handeln, einem Mann, der im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Touristen im Kairoer Basar gesucht wurde, bei dem vor drei Wochen drei Ausländer ums Leben kamen.

Bei einem zweiten Anschlag im Osten der Altstadt wurde ein Bus mit einer oberösterreichischen Reisegruppe beschossen, dabei wurde aber niemand verletzt. Zwei tief verschleierte Frauen feuerten drei Schüssen auf die Heckscheibe des Busses ab. Die beiden Attentäterinnen sollen sich gegenseitig erschossen haben, nachdem ihr Anschlag gescheitert war.

Alle drei Täter sollen Verwandte oder Bekannte von Muhammad Suliman Yussuf sein, der im Zusammenhang mit den Anschlag auf den Touristenbasar verhaftet wurde und vor wenigen Tagen im Gefängnis gestorben ist. Die Polizei geht daher von einer familiären Racheaktion aus. Am Sonntag morgen wurden in Schubra al-Kheima, einem Arbeiterbezirk im Norden Kairos, wo die Familien lebt, über 200 Personen verhaftet.

Bei dem Basar-Anschlag vor drei Wochen sprachen die ägyptischen Behörden noch von einem Einzeltäter mit radikalen Dschihad-Ideen. Nun weitet sie in diese offizielle Lesart auf eine ganze Familie aus. „Selbstmordfamilie bringt den Geist der islamistischen Terrorattacken nach Ägypten zurück“, titelte gestern eine arabische Zeitung.

Stimmt diese Version, dann wirft dies zumindest einen dunklen Schatten auf die Verhör- und Verhaftungspraxis der Polizei, da der Tod eines Häftlings, wahrscheinlich durch Folter, die Anschläge vom Wochenende ausgelöst hat. „Wenn die Darstellung des Innenministeriums stimmt, dann sind Menschen in Haft schwer geschädigt worden, und die Anschläge stellten eine Art Revanche dar“, erklärt Muhammad Sayyed Said vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien und weist darauf hin, dass die Folterpraxis in Ägypten, ganz besonders nach der Verhaftung in den Polizeistationen, von Menschenrechtsgruppen in den letzten Jahren ausführlich dokumentiert ist.

In den arabischen Zeitungen werden aber auch Sicherheitsexperten anonym zitiert, die die Version des ägyptischen Innenministeriums anzweifeln. Es sei noch zu früh, mit dem Finger auf eine bestimmte Organisation zu zeigen, heißt es. Es sei aber durchaus möglich, dass die drei Anschläge auf Touristen in Ägypten in einem Monat auf das Konto einer neuen Generation militanter Islamisten geht, die sich in kleinen Schläferzellen organisiert haben.

In der Kairoer Innenstadt zeigten die Sicherheitskräfte am Sonntagmorgen massiv Präsenz und durchsuchen Plastiktüten und Taschen, vor allem die jugendlicher Passanten. Zahlreiche Ägypter fragten sich angesichts der letzten Anschläge, ob dies den Beginn einer neuen Serie von Angriffen auf Touristen darstellt, wie sie das Land am Nil Mitte der 90er-Jahre erlebt hatten. Sie hoffen, dass der Spuk mit der Tod der Attentäter und der Verhaftung einer Familie nun ein Ende findet.

KARIM EL-GAWHARY