Rüge der EU als letzter Trumpf gegen Fischer

Nach dem wenig ergiebigen Auftritt von Außenminister Joschka Fischer im Visa-Untersuchungsausschuss hoffen CDU und FDP jetzt, dass der zuständige EU-Kommissar die rot-grüne Visapolitik verurteilt. CSU-Experte dämpft Erwartungen

BERLIN taz ■ Er hatte sich betont locker verabschiedet. „Sie werden mir fehlen“, rief Joschka Fischer vor einer Woche den Unions-Mitgliedern im Visa-Untersuchungsausschuss am Ende siegesgewiss ironisch zu. Und selbst führende CDU-Politiker räumten nach der zwölfstündigen Befragung ein, neue Erkenntnisse habe es nicht gegeben und damit sei aus der Visa-Affäre „die Luft etwas heraus“. Doch nun haben Fischers Gegenspieler neue Hoffnung geschöpft, den Außenminister vielleicht doch noch in Bedrängnis bringen zu können.

Schon bald werde es „richtig eng“ für Fischer werden, tat CDU-Obmann Eckart von Klaeden am Wochenende freudig kund. Sein FDP-Ausschuss-Kollege Hellmut Königshaus stieß ins gleiche Horn. Ihr Hoffnungsträger und mutmaßlich wichtigster Helfer beim Fischer-vielleicht-doch-noch-Stürzen ist ein Italiener und heißt Franco Frattini.

Der für Visaangelegenheiten zuständige EU-Kommissar sei der Ansicht, dass die deutsche Visapolitik gegen das Schengen-Abkommen zur Sicherung der EU-Grenzen verstoße, berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter der Überschrift „EU kritisiert Fischer“.

Das ist zwar ein bisschen übertrieben, weil es offizielle Äußerungen Frattinis bisher noch gar nicht gibt, aber zumindest FDP-Mann Königshaus ist sich bereits sicher, was die Prüfung des Volmer/Fischer-Erlasses aus dem Jahr 2000 durch die EU ergeben wird. Ergeben muss. „Es wird sich herausstellen, dass der Erlass rechtswidrig war“, sagte Königshaus. „Fischer hat damit jahrelang EU-Recht gebrochen.“

Der CSU-Europaabgeordnete Joachim Wuermeling dämpfte jedoch mögliche Hoffnungen seiner Oppositionskollegen auf eine scharfe Verurteilung Fischers durch die EU. Wuermeling, der die noch laufende Brüsseler Untersuchung der deutschen Visapolitik vor einigen Wochen mit einer Anfrage selbst eingeleitet hatte, sagte der taz, in den offiziellen Verlautbarungen der Kommission sei „keine retrospektive Betrachtung“ der deutschen Visapolitik zu erwarten.

Aufgabe der Kommission sei es „nicht vorrangig“, bereits korrigierte Fehler „im Nachhinein zu kritisieren“, sondern die gegenwärtig geltenden Regelungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Auch da gebe es noch einiges auszusetzen, sagte Wuermeling, weil der Ermessensspielraum für deutsche Visaprüfer immer noch über den EU-Rahmen hinausgehe. Damit, dass Frattini mit der Politik Fischers insgesamt abrechnet, sei jedoch nicht zu rechnen, geschweige denn mit Sanktionen. „Er wird wohl eine Rüge erteilen“, erwartet Wuermeling. LUKAS WALLRAFF

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