Sag mir, wo du stehst?

Der Klassikereinstieg ins Thema, also Goethe zum Zitat bitte: „Ein garstig Lied! Pfui, ein politisch Lied!“

Steht so im „Faust“, der Szene in Auerbachs Keller, als gerade ein Spottlied auf das in Auflösung begriffene Heilige Römische Reich angestimmt wird. Das mittlerweile wirklich erloschen ist und überhaupt ein Weilchen her. Festhalten mag man aber doch, dass das Garstige sich nicht auf eine eventuell mangelhafte Gefälligkeit des Liedes selbst bezieht. Sondern dass so ein Lied eben mit dem Finger in Wunden, zu arg genährten Bäuchen oder sonstigen Befindlichkeiten stochert, was einen doch in seiner Behaglichkeit stören mag.

Obwohl man sich natürlich auch mit solchen Liedern ganz kuschelig einrichten kann.

Und was solche Lieder überhaupt sind und wie genau das Politische beschaffen sein muss in einem politischen Lied, ist wiederum eine Frage, über die man sich ganz gut zerstreiten kann. Gerade auch jetzt in einer Zeit, in der dem politischen Lied kein allzu großer Markt eingeräumt wird, und am besten führt man diese Debatte gleich vor Ort, bis Sonntag vor allem in der Wabe bei dem „Festival Musik und Politik“. Wie das mit dem alten Ost-Berliner „Festival des politischen Liedes“ zusammenhängt, hat ja dessen Festivalchef Lutz Kirchenwitz in dem am Montag in der taz erschienenen Interview erklärt. Und weil Kirchenwitz eben auch einst beim Oktoberklub sang, gibt es hier mal als visuellen Nachtrag eine Plattenhülle dieser vorbildhaften Vereinigung der DDR-Singebewegung zu begucken. Deren Hit war „Sag mir, wo du stehst“ mit den doch eindringlichen Textzeilen „Zurück oder vorwärts, du musst dich entschließen! / Wir bringen die Zeit nach vorn Stück um Stück. / Du kannst nicht bei uns und bei ihnen genießen, / denn wenn du im Kreis gehst, dann bleibst du zurück!“

Einen Schwerpunkt gönnt man bei dem Festival zu dessen Hundertstem dem Sänger Woody Guthrie (Hit: „This land is your land, this land is my land / From California to the New York Island / From the Redwood Forest to the Gulf Stream waters / This land was made for you and me“). Aber auch Hanns Eisler wird reichlich Platz eingeräumt, mit der „Eisleriade“ etwa am Samstag, wo sich dann unter anderem der Extremmusiker Sven-Åke Johansson und die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot an der Musik des Komponisten abarbeiten. Muss man halt genauer hinhören, wo da jetzt das Politische steckt und ob es einfach mal so mitläuft mit der Musik.

Jedenfalls ist von Eisler durchaus in diesem Zusammenhang der schöne Satz überliefert: „Wer nur von Musik etwas versteht, versteht auch von Musik nichts!“ Auch ein Klassiker. THOMAS MAUCH

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