Zack, zack! Zumachen!

Weil sie von der Bildungssenatorin keine zweite Chance bekommt, steht die Gesamtschule Steilshoop vor dem Aus. Ihre Schüler aber lieben sie

„Für Kinder aus bildungsfernen Schichten dasbessere Angebot“

von Kaija Kutter

Hamburgs Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) misst mit zweierlei Maß. So gibt es, wie berichtet, 26 herkömliche Haupt- und Realschulen, die seit drei Jahren in Folge bei ihren Anmeldungen unter der erlaubten Mindestgröße liegen. „Wir müssen uns dieser Entwicklung stellen“, sagte Dinges-Dierig kürzlich auf einer Elternveranstaltung. „Das heißt aber nicht: Sowie sie unterfrequent sind, zack, zack, zack machen wir zu.“

Zackig allerdings ist der Umgang der Senatorin mit der Integrierten Gesamtschule Steilshoop (IGS), die, nachdem sie im Vorjahr noch mit 72 Anmeldungen für die 5. Klassen die Mindestgröße erreicht hatte, in diesem Jahr nur 41 erhielt. Üblich wäre laut Schulgesetz, dieser Schule noch ein Jahr lang eine Chance zu geben. Doch Dinges-Dierig will sie sofort „per Rechtsverordnung“ schließen – ein neuer Weg, den sie sich gerade erst mit einer Gesetzesnovelle geschaffen hat.

IGS-Chef Dieter Maibaum ist sichtlich bedrückt. „Wir haben jahrelang an der Erneuerung der Schule gearbeitet. Jetzt könnten wir die Früchte ernten“, sagt er. Maibaum übernahm die Schule zu Beginn der 90er Jahre, als Schlagzeilen über Ghetto-Kids und über eine vor der Tür gezündete Rohrbombe die Schule in Verruf brachten. „Heute“, sagt er, „ist das ganz anders“. Die Kriminalitätsrate ist rapide gesunken, das Schulgelände durch bauliche Maßnahmen verschönert und gegen das Eindringen Fremder geschützt. Maibaum: „Die Kinder fühlen sich wohl hier, wenn sie erst mal drin sind.“

Ein Satz, den ein Pulk von Schülern in der Mensa bestätigt. „Es ist und bleibt die beste Schule“, sagt Serkan Can, der vor allem „den Musikbereich und die tolle Sportanlage“ lobt. Der Unterricht mache Spaß und die Lehrer „setzen sich für dich ein“, ergänzt Freund Ali Yousefi. Nur leider, so Serkan, habe die Schule im Stadtteil immer noch den Ruf von vor zehn Jahren. „Die Leute sollten wissen, dass Steilshoop nicht mehr so ist.“

Doch es sind ja eben auch Steilshooper Eltern, die ihre Kinder lieber an einer Schule außerhalb der 70er-Jahre-Großsiedlung anmelden. Von 200 Grundschülern, so Maibaum, müssten eigentlich 100 an die IGS-Steilshoop. In diesem Jahr aber hätten ungünstige Faktoren die Zahlen gedrückt. So entschied die Bildunsgbehörde im Januar, der IGS die Oberstufe zu nehmen, so dass viele Eltern, die für ihr Kind das Abitur wünschen, es am Gymnasium Bramfeld anmeldeten, auch wenn es dafür keine Empfehlung gab. Für Maibaum war das eine tragische Fehlentscheidung: „Für Kinder aus bildungsfernen Schichten ist unsere Schule das bessere Angebot.“ Schafften doch an der IGS in den vergangenen Jahren 18 bis 20 Schüler den Übergang zur Oberstufe, obwohl nur sechs oder sieben in Klasse fünf die entsprechende Empfehlung hatten.

Es gibt allerdings noch andere Gründe für die anderweitige Schulwahl. Gemeindepastor Stefan Uter macht schon seit Jahrzehnten einen „Exodus der geistig beweglichen“ Steilshooper Jugendlichen aus. Weshalb die Schließung der Schule auch „eine Katastrophe“ wäre. Es würden dann im Stadtteil die für die Mischung wichtigen sozial kompetenten Jugendlichen fehlen.

Und die Schule ist das geistige Zentrum des 20.000-Einwohner-Viertels, das außer Einkaufszentrum und Kirche nur aus 20 Hochhausringen besteht. Weshalb selbst der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Ernst inzwischen bei der Behörde vorstellig wurde. Das Bildungszentrum habe sich zum „Aktivitätszentrum Steilshoops“ entwickelt, sagt Ernst. Deshalb habe die Wandsbeker CDU ein „hohes Interesse“, dass dort weiter Schule stattfindet. Ernst: „Gehen Sie in die Schule rein. Das ist ein Leckerbissen.“