Fahrig und nervös

Nach dem 1:2-Fehlstart gegen Kasachstan droht dem deutschen Team bei der Eishockey-WM die Abstiegsrunde

WIEN taz ■ Tschechien schlagen? Ja warum sollte die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft das eigentlich nicht schaffen – zum Beispiel heute Abend (20.15 Uhr/DSF), im zweiten Vorrundenspiel bei der Weltmeisterschaft in der Wiener Stadthalle. „Wir haben gegen die Tschechen schon viele gute Spiele gemacht“, findet Jan Benda, der deutsche Kapitän. Und vor allem sei es wichtig, meint Benda, den Kopf nicht hängen zu lassen. „Wir dürfen keine Angst haben.“ Besonders glücklich sah Benda nicht aus, als er diese Worte sprach. Natürlich weiß auch der tapfere Stürmer, dass sich die deutsche Mannschaft in einer Situation befindet, die durchaus zum Fürchten ist. Nach dem 1:2 im WM-Auftaktspiel gegen Kasachstan droht die Abstiegsrunde und im schlimmsten Fall der Sturz in die unbehagliche B-Gruppe. Aus den Spielen gegen den zehnmaligen Weltmeister Tschechien und am Donnerstag gegen die Schweiz muss Deutschland mindestens noch zwei Punkte holen, um nicht Letzter in der Vorrunden-Gruppe D zu werden.

Irgendwie wollte niemand so recht glauben, dass dies gelingen könne. „Wir wussten, dass es bei einer Niederlage sehr schwer wird. Und nun ist es sehr schwer“, sagte Franz Reindl, der Sportdirektor des Deutschen Eishockey- Bundes (DEB). Zu schwach war die Leistung der Deutschen in der Begegnung gegen den 17. der Weltrangliste. Fahrig und nervös spielten sie, durch ihre vielen Fehler luden sie den Gegner zu Kontern ein. Greg Poss, der deutsche Bundestrainer, war nach dem Desaster bei seinem Weltmeisterschafts-Debüt in erster Linie kleinlaut. Immer wieder betonte der Coach aus den USA, wie stark die Kasachen doch gewesen seien. Es war eine bizarre Situation. Vor einem Jahr noch hatte Hans Zach, der Altbundestrainer, ähnliche Sätze formuliert. Das sei Tiefstapelei, unkten die Kritiker. Die deutsche Mannschaft sei talentiert und müsse sich entsprechend höhere Ziele stecken, vielleicht sogar einmal bis ins WM-Halbfinale vorpreschen. Ein schöner, aber offensichtlich illusorischer Gedanke. Unter Zachs Regie schaffte Deutschland bei der WM in Prag ein 4:2 gegen Kasachstan – und zwar mit der bewährten deutschen Defensiv-Taktik.

Poss, der seit Oktober im Amt ist, wollte der Mannschaft wundervolles, erfolgreiches Offensiv-Eishockey beibringen. Je nach Gegner sollte das System variieren, vor allem sei aber eines wichtig, das sagte Poss viele Male: „Wir müssen den Gegner zu Fehlern zwingen und nicht auf Fehler warten.“ Das Resultat war am Sonntagabend zu bewundern. Vor lauter Gerede über Systeme, so schien es, wussten die deutschen Eis-Cracks nun gar nicht mehr, was sie eigentlich machen sollten. Und es war niemand da, der Ordnung ins Spiel brachte. Selbst ein Routinier wie Benda beging jede Menge Abspielfehler. Zwingende Torchancen erspielten sich Poss’ Lehrlinge andererseits nur ganz wenige. Erschwerend kommt hinzu, dass NHL-Stürmer Jochen Hecht an einer Bänderdehnung im Unterarm leidet und nicht im Vollbesitz seiner Scorer-Kräfte ist. „Die Mannschaft hat dem Druck nicht standgehalten“, konstatierte Reindl.

Wie soll es also klappen mit einem Sieg gegen die Tschechen, die 24 NHL-Profis aufbieten, darunter Superstar Jaromir Jagr? Bei ihrem 3:1-Auftaktsieg gegen die Schweiz kamen die Supertechniker noch nicht so richtig in Schwung. Doch Spiellaune kann jederzeit aufkommen, besonders dann, wenn der Gegner in der Abwehr unsicher ist. Überzeugende Argumente für einen Sieg konnte auch Poss, der als Ami über einige Routine im „Positive Thinking“ verfügt, nicht liefern. „Im Eishockey ist alles möglich“, floskelte er. Der letzte Sieg gegen Tschechien liegt neun Jahre zurück. In 106 Spielen kassierte Deutschland 81 Niederlagen bei 15 Siegen und zehn Remis. Zuletzt, beim World Cup of Hockey im September in Prag, ging die DEB-Auswahl mit 2:7 unter.

Realistisch ist: Im günstigsten Fall erleidet Deutschland gegen Tschechien heute Abend eine dezente Schlappe mit geringer Gegentorzahl. Ein Sieg gegen die Schweiz könnte dann reichen, um der Abstiegsrunde zu entgehen. Über die Platzierung in der Gruppe entscheidet zunächst der direkte Vergleich und danach das Torverhältnis. Hilfreich wäre es sicher auch, wenn sich das deutsche Team nun wieder aufs Mauern verlegen würde.

CHRISTIANE MITATSELIS