Die Zeit der schönen Worte ist vorbei

Im Südsudan treffen die ersten UN-Blauhelme ein. Aber nach dem Frieden mit der Zentralregierung in Khartum warnen Südsudanesen vor inneren Konflikten in ihrer Region. Dazu gehört auch der Streit um Unabhängigkeit oder Autonomie

AUS NAIROBI ILONA EVELEENS

Die Regierung des Sudan und die Rebellen des Südsudan haben Frieden geschlossen, und dieser Tage rücken die ersten UN-Blauhelme zur Überwachung des Friedensabkommens im Südsudan ein. Aber ihre Aufgabe könnte eine andere werden als gedacht: Unter Südsudanesen wächst die Angst vor internen Konflikten.

Versprechen und schöne Worte kennzeichneten die erste Runde eines „Süd-Süd-Dialogs“, der vorvergangene Woche mit 120 Teilnehmern in Kenias Hauptstadt Nairobi stattfand. Aber viele Gruppen waren nicht beteiligt. John Garang, Führer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) und zukünftiger Führer der Autonomieregierung des Südsudan, sagte: „Das Friedensabkommen ist Eigentum aller Südsudanesen, nicht nur der SPLA oder John Garangs.“ Aber gerade Garang und seine Ethnie der Dinka, so der Vorwurf vieler Südsudanesen, versuchen, den größten Teil der Macht im Süden für sich zu behalten.

„Nimm zum Beispiel New Site, die Basis von Garang“, sagt Severino Akileo Lado vom Interessenverband ACPD (Verband für Gemeinschaftsbeteiligung und Entwicklung). „New Site liegt im Gebiet der Topoza, ein Hirtenvolk. Jetzt dürfen die Hirten dort nicht mehr hinein. Weit vom Dinka-Siedlungsgebiet entfernt ist eine Dinka-Enklave entstanden.“

Es gibt viele Gegensätze innerhalb des Südsudan. Wie fast überall in Afrika geraten Bauern- und Hirtenvölker immer wieder in Konflikt um Land und Wasser. Dazu kommt die Spaltung zwischen Südsudanesen, die während der 20 Jahre Bürgerkrieg geblieben waren, und den Flüchtlingen, die jetzt zurückkommen wollen.

Die Flüchtlinge haben oft eine bessere Ausbildung und halten sich daher für die besseren Führer. Die Menschen, die geblieben waren, meinen wiederum, dass die Macht ihnen gehört, weil sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Und dann gibt es noch die Spaltung zwischen Südsudanesen, die die Unabhängigkeit wollen, und denen, denen eine Föderation mit dem Rest von Sudan genügt.

Unzufriedenheit mit John Garang und seiner SPLA herrscht außerdem in der Provinz Äquatoria, südlichster Teil des Südsudan an der Grenze zu Uganda. Die Völker dort finden, dass sie in der Führung ungenügend vertreten sind. Unzufrieden sind auch die Nuer, seit Jahrhunderten die wichtigsten Rivalen der Dinka.

Nach Meinung von Severino Akileo Lado waren die falschen Menschen zur ersten Runde des Süd-Süd-Dialogs eingeladen. „Es geht um die Basis. Dort sollte der Dialog stattfinden. Dorfälteste müssen miteinander sprechen. Jetzt reden Leute miteinander, die kaum Kontakt haben mit der Basis“, meint der 41-jährige Anwalt und Ex-SPLA-Kämpfer.

Kurz vor der Unterzeichnung des Friedensvertrages Anfang Januar kursierten Gerüchte, dass Garang gestürzt worden sei. Es ist bekannt, dass viele SPLA-Offiziere das Friedensabkommen ablehnen, weil es erst in sechs Jahren eine Volksabstimmung über Unabhängigkeit oder Autonomie des Südsudan vorsieht. Sie wollen die Unabhängigkeit sofort.

Garang hat die SPLA mehr als 20 Jahre lang als Diktator geführt, die meiste Zeit im Ausland verbracht und sich mit Menschen umgeben, die er alle selbst auf ihre Posten ernannt hat. So fürchten seine Kritiker um die Demokratie in der zukünftigen Autonomieregierung. Einige haben den Vorschlag gemacht, im zukünftigen Parlament des Südsudan eine „Kammer der Nationalitäten“ als Oberhaus einzuführen. Dort sollten die traditionellen Führer aller Völker des Südens sitzen. Aber Garang wies den Vorschlag ab.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR führte vor kurzem in Kakuma, einem sudanesischen Flüchtlingslager im Norden Kenias, Umfragen über die Rückkehrbereitschaft der 60.000 Lagerbewohner durch. Nur eine Minderheit wollte schnell zurück. „Ich bin davon überzeugt, dass es blutige Konflikte zwischen Südsudanesen geben wird“, sagte der 40-jährige Gideon Kenyi, Übersetzer für ausländische Hilfswerke. Er verwies darauf, dass es im Südsudan SPLA-feindliche Milizen gibt, die an den Friedensgesprächen nicht beteiligt waren und auch am Süd-Süd-Dialog nicht teilnehmen. „Das sind Menschen mit Waffen“, warnt er.