LESERINNENBRIEFE
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Ein erfreuliches Urteil

■ betr.: „Richter rügen Italien“, taz vom 24. 2. 12

Dieses erfreuliche Urteil verurteilt die gesamte europäische Flüchtlingspolitik. Hunderttausende versuchen unter Lebensgefahr, aus Armut, Krieg und Unterdrückung nach Europa zu fliehen. Wer es schafft, wird oft wie ein Verbrecher behandelt und möglichst zurück in das Elend geschickt. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt, auch die Ursachen und die Lösungsmöglichkeiten. Doch es geschieht nichts. Die EU muss konsequent die Wurzeln des Problems bekämpfen, sich energisch einsetzen für politische Freiheit, für Frieden und Wohlstand in den Herkunftsländern. Stattdessen hat man bis zum „arabischen Frühling“ lukrative Geschäfte mit nordafrikanischen Tyrannen gemacht. Ferner brauchen wir eine Härtefallregelung für die Bootsflüchtlinge und eine gesteuerte Zuwanderung nach Europa. Unsere Bevölkerung schrumpft, Industrie und Pflegedienste klagen über Fachkräftemangel. Es ist sinnvoll und moralisch vertretbar, dass wir nach unseren Bedürfnissen Zuwanderungsquoten festlegen, auch befristete Arbeitsverträge anbieten.

CHRISTIAN FUCHS, Gutenstetten

Quote für Minderheitengeschmack

■ betr.: „Der Fluch der Schwiegermutter“, taz vom 24. 2. 12

Danke für den Artikel von David Denk, der mir angesichts der Ausrichtung des ZDF wieder alle Haare zu Berge stehen lässt. Ein weiteres Beispiel für die grenzenlose Beliebigkeit der Sendebeiträge beim Ersten und Zweiten.

Dass die Orientierung nicht immer nur gen USA gerichtet sein sollte, zeigen die skandinavischen Mehrteiler wie zum Beispiel „Protectors“. Gerade die „staffelübergreifende Horizontale“ ist das Interessante, die Zeichnung und Entwicklung der Charaktere. Eine Darstellung der Vielfalt, die den Menschen ausmacht. In einem Zeitalter, in dem es auf Charakter nicht mehr ankommt, ist die Haltung des ZDF natürlich verständlich.

Allerdings: Wo bei einem öffentlich-rechtlich finanzierten Fernsehen die Quote zählt, muss es auch eine Quote für Minderheitengeschmack geben. Oder wie lässt es sich sonst vertreten, dass ab 2013 jeder Haushalt ungeachtet seiner tatsächlichen Seh- und Hörgewohnheiten Gebühren zahlen muss?

BETTINA SCHNEIDER, Schwarzenbek

Die Mehrheit schämt sich

■ betr.: „Foltern und fördern: Die Hartz-IV-Bilanz“, taz vom 22. 2. 12

Frau Gerda M. war 72 Jahre alt, als sie verhungerte. Im Krankenhausbericht las sich das so : „Hier sehen wir eine Patientin in deutlich reduziertem Allgemeinzustand mit Zeichen der Mangelernährung und fehlender körperlicher Hygiene. Frau M. berichtete, dass sie für alltägliche Aufgaben zu schwach sei und kaum noch was gegessen habe, geschweige denn sich selber versorgen könne.“ Das Grundsicherungsamt hatte ihr die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung gestrichen, obwohl die psychische Erkrankung dort bekannt war, gemäß dem Schröder’schen Motto: „Es gibt kein Recht auf Faulheit.“ Dies ist kein Einzelfall, mit dem ich in meiner Arbeit als Sozialarbeiter konfrontiert werde. In den Talkshows treten zwar Exoten auf, die provozierend berichten, wie sie sich vor der Arbeit drücken, aber niemals Leute wie Gerda M. Die Mehrheit der Hilfeempfänger schämt sich, zieht sich zurück, flüchtet in Apathie und ist (noch) nicht politisch aktiv. Am meisten kotzen mich jene „Realpolitiker“ an, die uns ihre schöne heile Wirklichkeit präsentieren.

PETER HIMSTEDT, Hamburg

Ein ehrenhafter Wertkonservativer

■ betr.: „Was Gauck gesagt hat und was er meint“, taz vom 23.2. 12

Im Bemühen, Herrn Gauck „sekundären Antisemitismus“ nachzuweisen, zitiert Deniz Yücel umfänglich aus einer Rede Gaucks vom 28. 6. 06. Leider hat er dabei einen entscheidenden Satz Gaucks unterschlagen, der unbedingt das abgedruckte Zitat ergänzen muss, da es sonst tatsächlich das Gegenteil dessen aussagt, was Gauck auszudrücken beabsichtigte: „Nur am Rande sei die Gefahr der Trivialisierung des Holocaustgedenkens erwähnt. Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung.“ Indem Gauck ausdrücklich auf die „Gefahr der Trivialisierung“ des Holocausts hinweist, tut er das Gegenteil dessen, was Yücel ihm nachzuweisen versucht. Und dass er dann auch noch als „reaktionärer Stinkstiefel“ bezeichnet wird, empfinde ich als beleidigend und völlig unangemessen! Abgesehen davon, dass ich das Amt des Bundespräsidenten für obsolet halte, bin ich davon überzeugt, dass es sich bei Herrn Gauck um einen sehr ehrenhaften Wertkonservativen handelt, und das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein.

GERD SIEBRASSE, Göppingen