Betriebsräte als Grünen-Fresser

Kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen startet die Arbeitnehmervertretung des Stromkonzerns Eon eine Anzeigenkampagne gegen grüne „Fortschrittsfeinde“

BERLIN taz ■ Mit einer bundesweiten Anzeigenkampagne will der Betriebsrat des Stromkonzerns Eon in der Woche vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl Stimmung gegen die Grünen machen. Es könne nicht sein, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Landes „durch kleine ideologisierte Parteien verhindert werde“, schrieb Ulrich Otte, Betriebsratsvorsitzender des größten deutschen Atomkraftwerks-Betreiber, in einem Brief an die Arbeitnehmervertreter anderer Großkonzerne. Die Anzeigen sollen in der Woche vor der Wahl am 22. Mai in allen großen deutschen Tageszeitungen erscheinen.

Ottes Aufruf für ein so genanntes Bündnis der Vernunft soll aus der Kasse der Eon-Arbeitnehmervertretung bezahlt werden. „Wie hoch das Budget sein wird, steht noch nicht fest“, heißt es in Betriebsratskreisen. Mit politischen Parteien abgesprochen sei die Offensive gegen die grünen „Fortschrittsfeinde“ aber nicht – schon gar nicht mit der SPD: „Wir rufen vorher nicht beim Willy-Brandt-Haus an und fragen um Erlaubnis.“

Bereits seit Monaten schalten sich die nordrhein-westfälischen Betriebsräte in den Wahlkampf ein. Im März forderte Bayer-Betriebsratschef Erhard Gipperich im Namen des Betriebsräte-Forums NRW, dass die Grünen wegen ihrer „wirtschaftsfeindlichen“ Politik „raus aus der Regierung“ müssten. Thyssen-Krupp-Betriebsratschef Thomas Schlenz sprach seinem Kollegen kurz darauf bei einem demonstrativen Auftritt auf dem kleinen Parteitag der Grünen in Gelsenkirchen jedoch ab, für die Dachorganisation der nordrhein-westfälischen Arbeitnehmervertreter zu sprechen.

Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) wiederum lässt sich im Wahlkampf von einer eigens gegründeten Initiative „Arbeitnehmer für Steinbrück“ begleiten, die bisher nichts gegen die Grünen einzuwenden hat.

„Ich werde laufend von den verschiedenen Parteien angesprochen und um Unterstützung gebeten“, sagt Rainer Einenkel, Betriebsratschef von Opel Bochum. Nach dem Arbeitskampf und der drohenden Standortschließung im Winter kann er sich vor Solidaritätsbekundungen von Seiten der Politik kaum noch retten. Die rechtsradikale NPD hatte das Opelwerk sogar auf ihren Wahlplakaten abgebildet, bis das Unternehmen die Verwendung des Logo gerichtlich verbieten ließ.

„Wenn es gegen Neonazis geht, ist es wichtig, sich als Betriebsrat öffentlich zu positionieren. Den Leuten zu sagen, was sie zu wählen haben, ist aber Unsinn“, so Einenkel zur taz. Die anti-grüne Kampagne der Eon-Kollegen kann er nicht nachvollziehen: „Offensichtlich werden da nur die Befindlichkeiten des eigenen Unternehmens wiedergegeben.“

Auch die Grünen wehren sich gegen die Anwürfe des Eon-Arbeitnehmer: Der stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsident Michael Vesper verwies darauf, dass Betriebsratschef Otte lediglich eine „Minderheitsmeinung“ vertrete. Parteichef Reinhard Bütikofer sagte der Frankfurter Rundschau: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selbst.“ Wer gegen Rot-Grün polemisiere, „wird mit Schwarz-Gelb bestraft werden“. KLAUS JANSEN