DIDI LIEST TAZ
: Doppelte Sichel

Didi biss in seine Zigarettenspitze

Schöne Sommerpause. Vom Wetter mal abgesehen. Beim Brötchenholen hatte Didi die taz durchgeblättert, die in seinem Bioladen immer brav auf der Theke lag. Beim Überfliegen der Überschriften war er an dem Wort „Modigliani“ hängengeblieben. Ausnahmsweise hatte er die taz gekauft und zu Hause den Artikel studiert, der „Falscher Modigliani“ überschrieben gewesen war. Das war okay gegangen. Seine Modiglianis hatte Didi längst abgestoßen. Als er am Donnerstag die Zeit auf den Küchentisch wuchtete und sich zum Feuilleton vorarbeitete, war er durch die Modigliani-Geschichte also gewissermaßen schon eingegroovt.

Was er dann lesen musste, zog ihm trotzdem erst mal die Socken aus. Robert Capas „Loyalistischer Soldat im Moment seines Todes“ gefälscht? Zum Glück beruhigten sich Didis Nerven auch wieder. Tatsächlich war in dem Artikel nicht von Fälschung die Rede, sondern von Inszenierung. Und dass Capa aus Mangel an satten Motiven Soldaten hatte posieren lassen, war ja allgemein bekannt. Zwei Seiten weiter dann erneute Pulsbeschleunigung. „Gefälschte Avantgarde-Kunst aus Russland massenhaft gehandelt“. Jetzt reicht’s aber, dachte Didi.

Das abgebildete Aquarell „Konstruktion mit weißer Mondsichel“ von Ljubow Popowa erkannte er sofort wieder. Nicht das untere, echte. Das obere mit den zwei Mondsicheln, eine links oben, eine rechts unten. Das falsche also! Der Fälscher hatte zwei Vorlagen gehabt. Die richtige mit der Mondsichel im linken oberen Eck und das 1990 in einem Moskauer Katalog versehentlich auf dem Kopf stehend abgedruckte Bild. Und weil er sich nicht hatte entscheiden können, hatte der Dussel einfach zwei Monde gemalt, einen oben, einen unten. Wie besoffen konnte man sein? Didi biss in seine Zigarettenspitze. Er sollte den schönen Pjotr mal wieder anrufen.

SASCHA JOSUWEIT