„Einheitsbrei“ schmeckt nicht allen

Während die SPD die Debatte um das Schulsystem am liebsten aus dem Wahlkampf verbannen würde, wollen CDU und FDP mit dem Thema punkten

Auch wenn Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) es lieber vermieden und die Debatte über die Schulform auf die Zeit nach der Wahl verschoben hätte: Spätestens seit PISA tobt im Land die Diskussion um das Schulsystem der Zukunft.

Dabei erinnert die Schulstrukturdebatte weniger an die Zukunft, als an ein altbekanntes Theaterstück der 60er und 70er Jahre. Schon damals protestierten CDU und Philologenverband gegen den „Einheitsbrei der Einheitsschule“ und forderten vehement die Erhaltung des dreigliedrigen Schulsystems aus Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien, während Sozialdemokraten für so genannte Kooperationsschulen plädierten. Doch mit einem Volksbegehren stoppten die Gegner 1978 „Ko-op“ – SPD-Regierungschef Heinz Kühn erholte sich von dieser politischen Niederlage nicht mehr und trat wenige Monate später zurück.

Heute, rund 40 Jahre, unzählige Lernstandserhebungen und zwei Pisastudien später, ist die Diskussion erneut entbrannt und könnte zu einem der ausschlaggebenden Themen werden – nach einer Umfrage von Infratest dimap ist für 70 Prozent der Wähler die Bildungspolitik „sehr wichtig“ für ihre Wahlentscheidung. Bitter für Rot-Grün: 48 Prozent der Wähler glauben, dass die Opposition eher in der Lage ist, eine gute Bildungspolitik zu machen als die jetzige Regierung.

Auch deshalb hat Peer Steinbrück lange gehofft, das Thema im Wahlkampf auf kleiner Flamme kochen zu können. Dass die schleswig-holsteinische SPD mit ihrem Vorstoß für die Gemeinschaftsschule bei der Landtagswahl abgestraft wurde, dürfte ihn in seiner Sorge noch bestärkt haben. Statt sich also zur Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems zu bekennen, schmückt sich die SPD lieber mit dem bisher Erreichten: Ausbau der Ganztagsschulen, Lernstandserhebungen und vorschulische Sprachförderung für Migrantenkinder schreibt sich Rot-Grün auf die Fahnen. Allein die Grünen reden Tacheles: „Das deutsche Schulsystem ist gescheitert“, sagt die Partei. Das frühe Aussortieren von Kindern habe sich als falsch erwiesen, weil es „Chancenungleichheit zementiert“. Zudem produziere das dreigliedrige Schulsystem Absteiger und Verlierer, da bis zu zehn Prozent der SchülerInnen ihre Schulkarriere ohne Abschluss beendeten – bei den Jugendlichen ohne deutschen Pass gar 30 Prozent.

Dass die Gemeinschaftsschule, oder – wie die Opposition sie lieber nennt: die Einheitsschule – daran etwas ändern könnte, glauben CDU und FDP nicht: „Zur Forderung nach einer Schule für alle Kinder von der ersten bis zehnten Klasse gibt es keinerlei wissenschaftliche Hinweise“, so die CDU. Statt dessen sollen Lehrer nach der vierten Klasse über die weitere Schulkarriere urteilen: All diejenigen mit „praktischer Begabung“ sollen dann zur Hauptschule. Diese seien zwar heute nur „Sammelbecken für den ausgesonderten Restbestand der Gesellschaft ohne berufliche Perspektive“, so die CDU. Die will sie aber verstärkt fördern und zu Ganztagsschulen machen – und irgendwann mit den Gesamtschulen zusammenlegen. Einen „Frontalangriff auf die Gesamtschulen“ nennen das die Kritiker. ULLA JASPER