Weiß-blaue Aussichten für Köln

Der Aufstieg des FC ist erst der Anfang. Wir dürfen in Köln nicht klein, klein auf den Klassenerhalt hoffen, auch wirtschaftlich nicht oder kulturell. Von Bayern lernen, heißt siegen lernen. Ein Einwurf

VON CHRISTIAN GOTTSCHALK

Köln ist wieder erstklassig. Vorgestern trugen wir die Euphorie auf die Straße und spürten: Jetzt ist alles möglich – nicht nur im Fußball. Der Sieg gegen Erzgebirge Aue aus der DDR und der damit verbundene ersehnte Aufstieg in die erste Bundesliga sind auch als gesamtwirtschaftliches und gesellschaftliches Signal von immenser Wichtigkeit. Und das wird mit Sicherheit Wirkung zeitigen. Köln gehört nicht in die zweite Liga, nicht im Fußball, nicht kulturell, nicht wirtschaftlich. Und auch bei den Arbeitslosen sollte die Domstadt nicht hintanstehen.

Mit Kampfgeist, Mut und Geschick hat unsere Elf uns vorgemacht, wo man mit Kampfgeist, Mut und Geschick hinkommen kann. Ein Signal, das in den Chefetagen und in den mittelständischen Betrieben ebenso gehört werden sollte wie in den schicken Büros der Investoren, bei unserem gebeutelten Handwerk und nicht zuletzt in der Politik. Denn: Das Politbarometer steht auf Investitionsklima!

Angela Merkel hat die Zeichen der Zeit erkannt. NRW, so sagte die CDU-Parteichefin gestern im Interview mit dem Kölner Express, könnte so erfolgreich sein wie Bayern. Deshalb dürfen wir jetzt nicht klein, klein auf den Klassenerhalt schielen. Nein, die Meisterschale soll es sein, die der FC sich für die kommende Saison auf die Agenda setzen muss.

Und, Hand aufs Herz, Merkels Vergleich ist nicht so absurd, wie es auf den ersten Blick scheint. Man kann im Fußball von den Bayern das Siegen lernen und sollte den Vergleich auf anderen Gebie-

ten auch nicht scheuen. Die übergroßen3-Liter-Kölschstangen, die der FC in Aue dabei hatte, sind ein Schritt in die richtige Richtung: Think Big heißt die Devise. Fritz Schramma, augenzwinkernd jetzt schon der Schramma-Fritz genannt, sollte seiner Partei-

chefin genau zuhören und darüber nachdenken, wie er Köln mit weiß-blauem Schwung und einem beliebten Erstligaverein an der Seite zu bayerischen Verhältnissen führen kann. Wie kann es zum Beispiel sein, dass die ausgefuchste Spezl-Wirtschaft so viel erfolgreicher ist als unser Klüngel?

Wir dürfen nicht vergessen: Es gibt mehr Verbindendes als Trennendes zwischen uns und unseren bayerischen Vorbildern. Wir sind auch katholisch, einmal im Jahr gibt es hie wie da ein kollektives Besäufnis, sprechen wir unseren Dialekt, versteht uns sonst in Deutschland keiner mehr, wir haben unheimlich viel Humor, auch viele Kölner stehen total auf Lederhosen, wir bauen ebenfalls sehr flotte Autos (Ford Fiesta!), und nächstes Mal wird unser Kardinal Papst. Aus den rauen Gewässern der Rezession werden wir am strammen Wind, der aus Süden weht, schnurstracks in den Hafen des Wohlstands segeln. Köln rast mit Höchstgeschwindigkeit auf das Licht am Ende des Tunnels zu, und von dort ist der Silberstreif am weiß-blauen Horizont nicht mehr zu übersehen.

Wenn Schramma seinen ersten Autounfall mit über zwei Promille im Blut baut, wissen wir, wir sind auf unserem „bayerischen Weg“ nicht mehr aufzuhalten. Wenn Lukas Podolski im nächsten Jahr bei den Meisterfeiern die Schale triumphierend in die funkelnde Kölner Sonne hält, wird sich eine prosperierende Stadt im Golde spiegeln, sauber wie München, reich wie Dubai, schwarz wie Passau. Der Kölner CSU-Chef Schramma hält eine launige Rede und „De Höhner“ jodeln die Siegerhymne. Darauf ein Reissdorf-Kristall-Weizen.