Ein würdiger Ort der Erinnerung

Am heutigen 60. Jahrestag der Befreiung Hamburgs vom Nationalsozialismus wird die neue KZ-Gedenkstätte Neuengamme eröffnet. Überlebende, die Jahrzehnte für diesen Tag gekämpft haben, zeigen sich zufrieden

Von Elke Spanner

Die Gerüche fehlen. Die Geräusche der rund 13.000 Männer, die noch im Frühjahr 1945 in den Baracken des Stammlagers Neuengamme eingepfercht waren. Und doch ist die Tristesse des Konzentrationslagers im Ansatz spürbar. Das Gelände scheint unendlich zu sein. Kein Grashalm wächst mehr rund um den Appellplatz in der Mitte, nichts, was das Gelände auch nur ein bisschen wohnlich erscheinen lässt. Die neu gestaltete KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die am heutigen 60. Jahrestag der Befreiung Hamburgs vom Nationalsozialismus eröffnet wird, wird dem Anspruch gerecht, den die Überlebendenorganisation „Amicale Internationale KZ Neuengamme“ jahrzehntelang angemahnt hatte: ein würdiger Ort der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zu sein.

Das gesamte KZ-Gelände ist nun in die Dokumentation mit einbezogen. Der Appellplatz, auf dem heute die Gedenkfeier abgehalten wird, wurde als einziges Element rekonstruiert. Soweit die KZ-Gebäude nicht mehr im Original erhalten sind, wird ihr Grundriss durch Gabionen angedeutet. Den Architekten der Gedenkstätte wurde in den vergangenen Monaten oft die Frage gestellt, warum sie die Baracken nicht nachgebildet haben. Die Antwort erübrigt sich nun angesichts des Ergebnisses: die Menschenmassen werden erst vorstellbar, wenn man das Gelände in seiner ganzen Weite sieht.

Ein Flügel des originalen Lagertors markiert den Eingang zur Hauptausstellung der neuen Gedenkstätte. Sein Anblick soll den Besuchern etwas von dem Schock vermitteln, den die Häftlinge bei ihrer Ankunft im KZ erlebt haben müssen, wie Gedenkstättenleiter Detlev Garbe erklärt. Die Hauptausstellung befindet sich in einer früheren Häftlingsunterkunft für rund 2.000 Menschen. Neben Informationen zur Geschichte des KZ, den Ländern, aus denen die Häftlinge nach Neuengamme deportiert wurden und ihrem Leben dort, sind auch Schicksale einzelner Insassen nachzulesen. Viele Originalexponate sind ausgestellt. Ein heimlich im Lager gefertigter Radioempfänger etwa, versteckt in einem Holzkasten, vor dem die Häftlinge Nachrichten über das Vorrücken der Alliierten entgegengefiebert haben. Direkt daneben im Originaldokument die Anweisung der Lagerverwaltung, dass öffentlich erhängt wird, wer der „Sabotage“ überführt werden kann.

Doch nicht nur die Opfer, auch die Täter sind Thema der Ausstellung zur Geschichte des KZ. „Wir werden immer mehr gefragt, wie der Holocaust geschehen konnte“, erklärt Gedenkstättenleiter Garbe unter Verweis auf die Debatten rund um die Wehrmachtsausstellung und das Buch „Hitler und die Deutschen“ von Daniel Goldhagen. In den früheren SS-Garagen berichten Schautafeln, dass im Stammlager Neuengamme und seinen etwa 80 Außenlagern rund 4.500 SS-Angehörige gearbeitet haben – von denen nur 109 später vor britischen und 142 vor deutschen Gerichten angeklagt worden sind.

Die KZ-Überlebenden, welche die neue Gedenkstätte gestern vorab besuchen konnten, zeigten sich damit zufrieden. „Die Atmosphäre kann niemals dargestellt werden. Ich bin aber froh, dass es die Gedenkstätte jetzt gibt“, so Fritz Bringmann von der Amicale. Deren Präsident Robert Pincon sagte, ihn habe der Besuch sehr berührt. Jean Le Bris, Ex-Präsident der französischen Sektion der Amicale, betonte, dass die Überlebendenorganisation alles dafür tun wird, die neue Gedenkstätte „mit Leben zu füllen“. Der 80-Jährige bezeichnete sich als glücklich, an der Eröffnung teilnehmen zu können. „Ich habe über 20 Jahre für diese Gedenkstätte gekämpft.“