Monster für die Downing Street

An den britischen Wahlen nimmt wieder mal die Official Monster Raving Loony Party teil

„Wählt den Wahnsinn. Es nicht zu tun, wäre verrückt“

DUBLIN taz ■ Die Briten werden ihn morgen bei den Parlamentswahlen wohl nicht zum britischen Premierminister machen. Dabei hat Alan Howling Laud Hope, Chef der „Official Monster Raving Loony Party“, das pragmatischste Parteiprogramm. Die offizielle Monsterpartei der rasenden Irren will eine 99-Pence-Münze einführen, um das lästige Problem des Wechselgeldes zu lösen. Die Umstellung auf Sommerzeit soll wöchentlich erfolgen: Montags um 14 Uhr rücken die Uhren eine Stunde vor, damit der unangenehme Wochenbeginn verkürzt wird, freitags um 18 Uhr werden sie wieder zurückgestellt, damit man mehr vom Wochenende hat.

Bei der Steuerfrage, um die Labour, Tories und Liberale so heftig rangeln, plädieren die Loonies für eine Radikalkur. „Unser Expertenteam hat herausgefunden, dass die Einkommenssteuer bei den Bürgern nicht sehr beliebt ist“, heißt es im Parteiprogramm. „Deshalb wird sie abgeschafft. Sie ist eingeführt worden, um den Napoleonischen Krieg 1799 zu finanzieren. Wir finden, dass es Zeit ist, die Feindseligkeiten gegen Napoleon zu beenden. Das Geld, das noch übrig ist, verwenden wir, um unsere Hälfte des Kanaltunnels zuzuschütten.“

Exzentriker gab es bei britischen Wahlen schon immer, was bei ihrer weiten Verbreitung in Großbritannien nicht verwunderlich ist. Aber niemand hatte die Ausdauer von Screaming Lord Sutch, der 1963 seine eigene Partei gründete. Sie hieß zunächst „Teenager-Partei“. Ein Tory-Politiker bezeichnete ihn 1983 als „rasenden Irren“, was Sutch so gut gefiel, dass er die Partei auf der Stelle umbenannte. 41-mal hat er vergeblich für das Unterhaus kandidiert, 1983 und 1991 sogar jeweils 4-mal. Insgesamt erhielt er in seiner Laufbahn 15.657 Stimmen.

Er war der dienstälteste und bei weitem erfolgloseste Parteichef Großbritanniens. Sein bestes Ergebnis erreichte er im Jahr 1993 bei der Nachwahl in Newbury, als er den Konkurrenten der Grünen Partei weit hinter sich ließ, was den Umweltschützern noch heute höchst peinlich ist. Vor sechs Jahren hat sich der damals 58-jährige David Sutch, wie er richtig hieß, in seinem Haus in London erhängt – aber nicht wegen der ständigen Wahlpleiten. Er habe seit langem unter Depressionen gelitten, sagte seine Partnerin Yvonne Elwood. Nach Screaming Lord Sutchs Tod verkündete Premierminister Tony Blair: „Wahlen werden nie mehr so sein wie früher.“

Seine Wahlkämpfe hatte der brüllende Lord mit seiner Musik finanziert. Er war der erste Rockmusiker mit langen Haaren. In den Sechzigerjahren verdiente er mit seiner Band „The Savages“, der auch der spätere Deep-Purple-Musiker Ritchie Blackmore angehörte, eine Menge Geld. Sein Nachfolger, der 61-jährige Howling Laud Hope, war früher ebenfalls Rockmusiker, aber weniger erfolgreich als Sutch. Seine Bands hießen The Wreckers und Kerry Rapid and the Blue Stars.

Dafür ist Hope aber der einzige Loony, der es in der Politik jemals zu etwas gebracht hat. Die Stadt Ashburton wählte ihn 1998 zum Bürgermeister. Der Priester und die Frau des Bestattungsunternehmers hatten den Kneipenbesitzer nominiert. Seine erste Amtshandlung war die Verteilung von Corned Beef an die Armen, was er sich von einem anderen Monster abgeschaut hatte – von Margaret Thatcher.

Sein Slogan für die morgige Wahl lautet: „Hope for us all.“ Hoffnung für alle Loony-Kandidaten? Bei der Klapsmühlenpartei kann jeder Mitglied werden und sich für den überaus unwahrscheinlichen Fall, dass die Loonies an die Macht kommen, einen Ministerposten aussuchen. Morgen kandidieren 19 Monsterparteimitglieder. John Cartwright in Croydon möchte Minister für Schokolade, Dancing Ken Hanks möchte Minister für Glückseligkeit werden. Andy Collett, der als „Mein Zwillingsbruder, die verrückte Krabbe“ antritt, hat sich trotz mangelnder Lateinkenntnisse den Posten als „Hüter der Magna Carter“ ausgesucht. Graf Punkula II. will das Ministerium für Unfälle, die durch Käse verursacht werden. Andy the Hats vergleichsweise realistisches Ziel ist der Bürgermeisterposten in London. Und Blair muss sich in Acht nehmen: In seinem Wahlkreis Sedgefield kandidiert die stellvertretende Monsterparteivorsitzende Boney Maroney, deren bürgerlicher Name Melodie Staniforth keineswegs plausibler klingt.

Die Partei hat aber auch ernsthaftere Anliegen. Nachdem sie sich in heilloser Selbstüberschätzung damit brüstet, dafür gesorgt zu haben, dass das Wahlalter auf 18 heruntergesetzt wurde, sollen nun auch die 16- und 17- Jährigen wählen dürfen. Außerdem verlangt die Loony-Partei, dass unten auf den Stimmzetteln ein Feld „None of the above“ eingeführt wird, das diejenigen ankreuzen können, für die „keine der oben erwähnten“ Möglichkeiten in Betracht kommt. Darüber hinaus wollen die Loonies die Studiengebühren abschaffen, jedenfalls für alle Studenten namens Grant – der Name bedeutet im Englischen auch „Stipendium“.

Von der neuen Regierung wünscht sich Hope endlich die Beantwortung der Frage, die Lord Sutch sein Leben lang gestellt hat: Warum gibt es nur eine Monopolaufsichtsbehörde? Zunächst aber gilt morgen für möglichst viele Wähler: „Wählt den Wahnsinn. Es nicht zu tun, wäre verrückt.“ RALF SOTSCHECK