Braune Konkurrenz für Frankfurter Schule

Die NPD sagt den „charakterlich und geistig verlumpten“ Achtundsechzigern den Kampf an. Rund um die sächsische Landtagsfraktion soll ein rechtsradikaler Thinktank entstehen. Die „Dresdner Schule“ wird mit Steuergeldern finanziert

AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH

Dass die NPD alles, was sie an „Elite“ aufzubieten hat, in der sächsischen Landtagsfraktion zusammenzieht, fiel schon vor Monaten auf. Seit gestern hat dieses „Kopfkapital“, so der Publizist und Fraktionsmitarbeiter Karl Richter, auch einen Namen. „Dresdner Schule“ soll sich das „locker gefügte Agglomerat theoriefähiger Köpfe unter Einschluss und im Umfeld der sächsischen NPD-Fraktion“ nennen.

Das Geld der Steuerzahler in Form der staatlichen Unterstützung, die allen Fraktionen zusteht, schafft die Ressourcen für den braunen Brutkasten. Die Namensgebung versteht sich bewusst als Affront gegen die „Frankfurter Schule“ und die „charakterlich und geistig verlumpte Klasse“ der 68er.

Horkheimer und Adorno stehen die beiden Chefideologen Richter und Jürgen Gansel gegenüber, letzterer Redakteur des Parteiorgans Deutsche Stimme und Landtagsabgeordneter. In Gansels Grundsatzpapier wird Jürgen Habermas zum „Schuld- und Sühnejakobiner“, Joschka Fischer zum „Linkskriminellen“, und die „planvolle Multikulturalisierung“ führt zu einer „Masse von ethnokulturellen Kastraten“.

Gansel stellte mit Blick auf den Jahrestag des Kriegsendes eine der Stoßrichtungen klar. Die „Dresdner Schule“ maßt sich an, den einst von Ernst Nolte losgetretenen Historikerstreit zu vollenden. Es gehe um die Historisierung des Nationalsozialismus, seine Einordnung in eine 1.000-jährige deutsche Geschichte und einen Schlussstrich unter gehegte Kollektivschuldkomplexe.

Auch die Dissertation des gerade zum Kulturhauptstadtbewerber Görlitz weggelobten Regierungssprechers Christian Striefler, einem Nolte-Schüler, würde gut in die „Dresdner Schule“ passen, fügte Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx hinzu. Es wäre außerdem ein „schönes Zeichen“, wenn zur Feierstunde am 8. Mai der Landtagssaal tatsächlich halb leer bliebe, wie die taz gestern berichtet hatte.

Gansel betont weiterhin die nationale Volkswirtschaft als Alternative zur Globalisierung. Neomarxismus und Liberalkapitalismus seien eineiige Zwillinge. Richter rückt mit seinen Thesen gefährlich nahe an den NS-Rassenwahn, obschon er eine geistige Verwandtschaft abstreitet. Dem egalitären Menschenbild stellt er genetische Determination des Menschen und das Volk als „Abstammungsgemeinschaft“ entgegen. Ähnliche Thesen der JU Sachsen hatten jüngst die sächsische CDU-Führung in Verwirrung gestürzt. Für Richter gibt es auch keine objektiven Menschenrechte mehr, die nur der Aushebelung nationaler Souveränitätsrechte dienten. Mit der These, die Bundesrepublik sei infolge der Kapitulation 1945 kein souveräner Staat, identifiziert sich Richter außerdem mit Anhängern der so genannten Kommissarischen Reichsregierung.

Als „Schule“ dient die der NPD vor allem der Beeinflussung junger Menschen. Es gebe aber auch zahlreiche „verborgene Sympathisanten“ und Ideengeber aus der Mitte der Gesellschaft, die sich jetzt noch nicht outen dürften, orakelte Gansel.