IM GRUSELKABINETT
: Ärger auf Arbeit

Letztens zog einer ein Messer

„Wie aus du siehst!“, begrüße ich ihn. „Wie ab du nervst!“, ist seine Antwort. Und ich erkundige mich nach dem Grund für das augenscheinlich leidliche Befinden. „Ärger auf Arbeit“, sagt er, worauf sich in mir sofort ein innerer Schutzwall aufbaut. Beruflicher Frust gehört zu den Dingen, die mich gedanklich gähnen lassen.

Aber es gibt ja glücklicherweise für solche Fälle immer noch den deutschen Alltag: Dann doch lieber über das deutsche Pendant zur Queen reden, auch wenn die Causa Wulff so heuchlerisch und überflüssig ist wie der Großteil der Nachrichten.

Aber nein, der Bundespräsident interessiert ihn nicht, sagt er. Meine persönliche Nebelgranate hat im Gegensatz zu den derzeitigen Nebelgranaten der meisten Medien keine Wirkung gezeigt. Er besteht darauf, weiter über seinen Job zu reden. Also setzen wir uns in Clärchen’s Ballhaus und bestellen Buletten mit Kartoffelsalat. Ich habe extra Buletten bestellt, denn das geht schnell, und meine Flucht wird nicht unnötig hinausgezögert. Und dann geht’s los.

Er hat einen Job als professioneller „Erschrecker“ im Gruselkabinett ergattert. Was anfangs unterhaltsam klang, wurde schnell zur Tortur. Als Einstellungstest musste er sich in einen Raum mit Bewegungsmelder stellen und durfte sich nicht bewegen. Stundenlang. Ohne dass irgendwas passiert. Die jugendlich Schulklassen würden ihn herumschubsen und piesacken, sobald er aus seinem Versteck vorprescht, die Halbstarken in weiblicher Begleitung würden schon mal Pfefferspray im Dunkeln versprühen, letztens zog einer ein Messer. Übereifrig beschützende Väter seien die schlimmsten.

Bezahlt wird natürlich unter Tarif, unbezahlte Überstunden sind an der Tagesordnung, die meisten Mitarbeiter sind Ausländer, die es sich nicht leisten können zu kündigen. Deutscher Alltag eben. JURI STERNBURG