Sogkraft der Heuschrecken

Franz Müntefering erneuert beim Treffen der SPD-Fraktionschefs in Bremen seine Kapitalismuskritik und will europaweit die Macht unsozialer Konzerne einschränken. Wie das gehen soll, bleibt offen

von Kay Müller

Er sagt es kein einziges Mal, das Pfui-Wort von den Heuschreckenschwärmen, das der Historiker Michael Wolffsohn so böse findet. Dabei sind extra mehr Journalisten als sonst ins Haus der Bremer Bürgerschaft gekommen, um dem SPD-Chef zu lauschen. Nur einmal rutschen Franz Müntefering auf der Presse-Konferenz nach der turnusmäßigen gemeinsamen Sitzung aller SPD-Fraktionsvorsitzenden die Worte „das Kapital“ heraus. Müntefering blickt in die Runde der Journalisten, die auf ein neues Bonmot warten. Er weiß, dass es mit Ergebnissen nach dem Treffen der SPD-Fraktionsvorsitzenden mau aussehen wird und dass er und die Heuschrecken-Debatte es sind, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Getroffen haben sich die SPD-Fraktionschefs lediglich zum Gedankenaustausch, Beschlüsse gibt es keine, schon gar keine, die direkte Auswirkungen auf Landespolitik hätten. Dementsprechend bekommen die Fernsehjournalisten nur bekannte O-Töne und bei der schreibenden Zunft verharrt der Kugelschreiber öfter als sonst auf ein und derselben Stelle.

Denn der SPD-Chef fordert eine Versachlichung der Debatte, in deren Verlauf Wolffsohn ihm vorgeworfen hat, er vergleiche Unternehmen und ihre Chefs mit Tieren und sei daher in die Nähe der Nazis zu rücken. Müntefering sagt nur: „Ich kann einen Schubs vertragen, ich kann ihn aber auch austeilen.“

Auch sonst gibt sich der Parteichef ausgeglichen und sagt Sätze wie: „Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, die sich anständig auf Grundlage der Gesetze aufführen und ihre soziale Verantwortung im Blick haben, haben von uns nichts zu befürchten.“ Und: „Andere müssen aber wissen, dass es Ärger gibt.“ Er spricht von Strafverfolgung. Wie er aber multinational operierenden Unternehmen auf den Pelz rücken will – das sagt er nicht.

Genau: „Die Politik ist gefordert.“ Es dürfe „nicht der Grundsatz gelten: Geld regiert die Welt“, so der SPD-Chef. Er plädiert für Steuerangleichungen in Europa, um die Abwanderung deutscher Betriebe ins Ausland zu verhindern. Dass dies in der EU schwer und nur langsam umzusetzen ist, thematisiert er nicht.

Noch vor der Sommerpause will Müntefering einen Gesetzentwurf präsentieren, der Unternehmen zur Veröffentlichung von Manager-Gehältern zwingt, wenn die Aktionäre dies wollten. Die Arbeitnehmerrechte dürften nicht auf der Strecke bleiben, so Müntefering, der in der Politiker-Runde laut dem Bremer SPD-Landesfraktionschef Jens Böhrnsen großen Beifall bekommen hat.

Böhrnsen wiederum hat auf der Konferenz vor allem mit einem Bremer Politikfeld Eindruck auf seinen Bundeschef gemacht. Der Stadtstaat sei „mit Macht dabei“, Ganztagsschul-Konzepte umzusetzen und habe einen Großteil der bereitgestellten Bundesmittel abgerufen. „Wenn man gute Konzepte hat und mit dem nötigen Einsatz dabei ist, kann man als gutes Beispiel vorangehen“, meint Böhrnsen. Und Franz Müntefering will auch noch schnell etwas dazu sagen. Hessen habe unterdurchschnittlich wenig Mittel abgerufen. Sagt’s, grinst, verschränkt die Arme und überlässt dem Zuhörer, was davon zu halten ist.