Zurück zum Urzustand

Dem Harz fehlt die Artenvielfalt. Abhilfe kommt vom Bergwaldprojekt, das den Nationalpark ehrenamtlich renaturiert

Die Arbeit beim Bergwaldprojekt ist kein Zuckerschlecken: Morgens um sechs Uhr aufstehen, raus aus den zu kurzen Betten der Hummel-Maass-Skihütte am Oderteich. Frühstücken, dann bis zum späten Nachmittag Gräben ausheben, Bäume fällen, Pfähle einrammen, auch, wenn das Wetter eigentlich nicht danach ist. Trotzdem sind alle gerne hier und arbeiten unentgeltlich. Ist ja für einen guten Zweck: den Nationalpark Harz.

Seit 1991 führt das Bergwaldprojekt jährlich mehrtägige Aktionen im Harz durch: Freiwillige aus ganz Deutschland und den Nachbarländern renaturieren unter der Anleitung von Förstern und Rangern den Wald. Seit einiger Zeit arbeiten auch behinderte Jugendliche beim Bergwaldprojekt mit. Ziel des Projektes sei, so Vorstandsvorsitzender Lutz Rohland, ein neues Umweltbewusstsein in den Menschen zu verankern: „Umwelt im weitesten Sinne: Der Menschen und sein Umfeld, der Mensch als Teil eines Ganzen. Insofern passt der integrative Gedanke sehr gut zu uns.“

Der 19-Jährige Christoph aus Hildesheim beispielsweise ist zusammen mit seiner fünfköpfigen Gruppe damit beschäftigt, an einem Steilhang junge Buchen zwischen die alles dominierenden Fichten zu pflanzen. Denn bevor der Harz mit den schnell wachsenden Nadelbäumen aufgeforstet wurde, sei er ursprünglich ein Mischwald gewesen, so Projektförster Christoph Wehner. Nun versucht die Försterei des Nationalparks, dem Wald auf lange Sicht seine Artenvielfalt zurückzugeben.

Andernorts stechen die ProjektteilnehmerInnen unter der Anleitung von Nationalpark-Ranger Steffen Elcesser Grassoden ab, die sie mit der Schubkarre ins Moor bringen. Dort ist ein Team damit beschäftigt, Dämme in alte Entwässerungsgräben einzuziehen. Schwere Holzpfähle werden als Gerüst in den Boden gerammt, die Grassode wird zum Abdichten benötigt.

Die Entwässerungsgräben sind ein weiteres Beispiel dafür, wie versucht wird, frühere Eingriffe in die Natur wieder gut zu machen. Sie sind vor langer Zeit gegraben worden, um das 3.000 Jahre alte Moor trocken zu legen und noch mehr Fichten für die Forstwirtschaft pflanzen zu können. Mit den Dämmen soll der Prozess nun wieder rückgängig gemacht werden – die Fichten sind auf dem torfigen Boden ohnehin schlecht gewachsen.

„Das sind Arbeiten, die wir mit unserem Personal gar nicht erledigen könnten. Das wäre viel zu zeit- und kostenaufwändig“, sagt Manfred Weinert, Leiter der Nationalparkförsterei Rehberg. Er begleitet das Bergwaldprojekt seit Beginn des Engagements im Harz. Die Einsätze seien fachlich kompetente “Hilfe zur Selbsthilfe“, damit der kranke Wald sein ökologisches Gleichgewicht wieder finden könne. Dieses Gleichgewicht sei durch Eingriffe der Menschen in den letzten 1.000 Jahren zerstört worden.

Einige TeilnehmerInnen opfern seit Jahren immer wieder ihren Urlaub dafür. Der Lehrerin Birgitt Meyer geht es nicht anders. Während sie damit beschäftigt ist, junge Bäume mit kleinen Zäunen vor den Rehen zu schützen, sagt sie: „Ich werde auf jeden Fall noch öfters mitmachen.“

Die Begeisterung habe verschiedene Gründe, meint Christoph Wehner, der seit 1988 Förster beim Bergwaldprojekt ist: „Es macht ja nicht nur das Arbeiten in der Natur aus. Sondern es ist eine Woche gemeinsames Leben.“ Ralf Neite