AUFTRAGSKILLER
: Er lebt

Ich rufe einundzwanzig Mal auf seinem Handy an

Als ich noch in einer WG mit Fernseher gewohnt habe, konnte ich immer schön sonntags mit meinen Mitbewohnerinnen „Tatort“ gucken. Jetzt geht das nicht mehr, und ich kann das nur noch über Internet machen, so klein und unglamourös mit Laptop. Heute gucke ich mir jedenfalls den „Tatort“ an, diesen österreichischen, den jetzt schon alle gesehen haben, wegen der vielen Leichen. Inzwischen redet da schon keiner mehr drüber, ja meine Güte, ich bin der Zeit manchmal ein bisschen hinterher, ist ganz gemütlich.

Ich trinke Tee und esse Schokolade mit Minzfüllung. Eigentlich hasse ich Krimis und finde dieses ganze „Tatort“-Gegucke auch total albern. Ich hab den früher nur aus WG-Solidarität gesehen, und heute gucke ich den nur, weil da eine mitspielt, die ich kenne. In den letzten superspannenden Minuten hakt meine Internetverbindung. Schrecklich. Und dann ein offenes Ende, und ich allein zu Hause, das geht gar nicht. Ich rufe Stefan an. Sein Mitbewohner sagt, Stefan ist nicht zu Hause. Na gut, sage ich, der arbeitet bestimmt noch, ich rufe ihn auf dem Handy an. Er ist oft noch nach neun oder zehn im Labor, das ist normal. Stefans Handy ist aus. Ich versuche es noch mal. Scheiße. Ich glaube, er ist von serbischen Auftragskillern erschossen worden. Superdreist von hinten, und dann haben sie ihn liegen gelassen, und da verblutet er jetzt, im Schnee. Mir ist schlecht. Die Polizei wird seine Eltern informieren, aber mich? Wir sind ja nicht verheiratet oder so was. Und dann wird mir Stefans Schwester über Facebook schreiben, dass … verdammt. Ich rufe einundzwanzig Mal auf seinem Handy an. Nicht erreichbar. Ich bin krank vor Stress.

Dann erschrecke ich mich fast zu Tode, als mein Handy piept. Eine SMS. „Liebste, bin noch auf Arbeit, rufe dich später an, Küsse.“ Er lebt! Ich lasse mich aufs Bett fallen und bleibe lange liegen. MARGARETE STOKOWSKI