Sind öffentliche Saufverbote sinnvoll?
JA

ALKOHOL Freiburg wollte öffentliches Trinken in einem Teil der Innenstadt verbieten. Ein Gericht kippte die Verordnung. Nun werden gesetzliche Verbote gefordert

Peter Lang, 54, Referatsleiter der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Alkoholverbote für den öffentlichen Raum können ein positives Signal setzen. Sie zeigen, dass Alkoholkonsum nicht automatisch zum Straßenbild gehört. Dahinter steckt die Frage, welche Trinkkultur man zeigen will. In den letzten Jahren hat sich öffentliches Alkoholtrinken deutlich ausgebreitet. Die Norm, die Heranwachsenden so vermittelt wird: Trinken gehört dazu. Tatsächlich hat extremer Alkoholkonsum bei Jugendlichen zugenommen. Warum? Das ist noch nicht abschließend geklärt. Ich wünsche mir eine Trinkkultur, die Verantwortung und Genuss in den Vordergrund stellt. Nicht den Exzess. Verantwortung heißt, dass man als Trinkender weiß, man hat Vorbildfunktion für Jugendliche. Für ein Umdenken ist Prävention gefordert, aber auch öffentliche Alkoholverbote dürfen kein Tabu sein.

Adam Chmielewski, 60, polnischer Philosoph, lehrt an der Universität Breslau

In Polen gibt es seit 1982 ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Es untersagt den Konsum auf Straßen, in Parks, Verkehrsmitteln, Schulen, Fabriken und bei öffentlichen Massenveranstaltungen. Regelverstöße kosten 25 Euro, was teuer ist. An ausgewiesenen Orten wie Biergärten darf Alkohol aber noch öffentlich getrunken werden. Entgegen erster Skepsis hat das Verbot positive Auswirkungen. In der Vergangenheit war es verbreitet, auf den Straßen sturzbetrunkene Menschen, meist Männer, zu sehen. Ihr Anblick hat Abscheu hervorgerufen und hat ein schlechtes Vorbild für Jüngere geliefert. Heute kommt das seltener vor. Durch das Verbot wurde die Trinkkultur in Polen verbessert. Ein Teil der Bevölkerung konsumiert Alkohol nun, um soziale Anlässe zu feiern, und nicht, um sich heillos zu betrinken.

Dieter Salomon, 48, grüner Oberbürgermeister von Freiburg im Breisgau

Freiburg hat es sich nicht leicht gemacht, ein begrenztes Alkoholverbot auszusprechen. Deshalb gab es die präventiven Programme dazu. Denn Komasaufen ist ein zweifelhaftes Vergnügen. Nach eineinhalb Jahren sind alkoholbedingte Pöbeleien und Schlägereien um 16 Prozent zurückgegangen. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim löst nicht das Problem. Nun sind Bund und Länder als Gesetzgeber gefordert. Verbote sind nur die Ultima Ratio, wenn Überzeugungsarbeit vergeblich bleibt.

Nein

Andreas Hasenkopf, 25, aus Regensburg. Er hat seinen Beitrag auf taz.de gestellt

Wegen ein paar Leuten, die nicht wissen, wann sie aufhören sollten zu trinken, und sich dann daneben benehmen, ist ein solcher Ansatz völlig überzogen. Es kommt ja auch keiner auf die Idee, das Autofahren zu verbieten, weil es Geisterfahrer gibt. Die Mehrheit kann doch – hoffentlich – mit Alkohol verantwortungsbewusst umgehen. Statt über solche Verbote nachzudenken, sollte man vielleicht Sorgenkindern helfen und ihnen einen gesunden Umgang mit Alkohol beibringen.

Carola Reimann, 41, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag

Trinkverbote für bestimmte öffentliche Plätze nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“ können nicht der einzige Ansatz sein gegen Alkoholmissbrauch. Platzverbote verlagern das Problem nur woanders hin und wirken auf Jugendliche wenig plausibel, wenn auf denselben Plätzen Volksfeste und Veranstaltungen mit Alkoholausschank genehmigt werden. Wenn außerdem „Saufen“ zur Hauptfreizeitbeschäftigung bei Jugendlichen werden kann, fehlen doch offenbar andere Angebote und Alternativen. Hier sollten wir ansetzen. Die Erfahrungen beim Kampf gegen das Rauchen zeigen, dass auch andere Mittel wie Warnhinweise und Werbeverbote helfen können. Alkohol wird zu oft als „cool“ und mit jugendlichem Image beworben. Da darf man sich über hohe Missbrauchszahlen nicht wundern.

Katrin Lompscher, 47, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz

Alkohol ist die Alltagsdroge Nummer eins, in Deutschland und in Berlin praktisch rund um die Uhr verfügbar. Auch wenn es klare Regelungen für den Alkoholverkauf gibt, kommen Kinder und Jugendliche viel zu leicht an Alkohol heran. Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen politisch zu propagieren und zu forcieren, ist kein geeignetes Mittel, Kinder und Jugendliche vom Alkohol fernzuhalten. Damit wird das Problem verdrängt, aber nicht gelöst. Wir müssen uns klar machen, dass Kinder und Jugendliche Vorbilder nachahmen und Grenzen austesten. Hier ist die Verantwortung von allen gefordert. Prävention kann nicht nur Aufgabe des Staates sein. Sie ist aber neben der konsequenten Beachtung des Jugendschutzes das wichtigste Instrument, um Kinder und Jugendliche beim Thema Alkohol zu erreichen.