Tausend Tränen tief

OPER Regisseurin Rosamund Gilmore zeigt am Goetheplatz zwei Umsetzungen des Blaubart-Stoffs und kann sich dabei auf ein hervorragendes Ensemble verlassen

■ Den Titel Kammersänger bzw. Kammersängerin erhalten Künstler und Künstlerinnen, die sich durch ihre künstlerische Arbeit verdient gemacht haben.

■ Am Donnerstag, den 1. 3. verlieh Staatsrätin Carmen Emigholz Lang im Anschluss an die Aufführung von „Herzog Blaubarts Burg“ und „Blaubart“ den Titel des Kammersängers.

■ Loren Lang ist seit 23 Jahren Mitglied des Bremer Opernensembles und singt derzeit unter anderem den Biterolf in „Tannhäuser“.

■ Lang wurde in den USA geboren und begann dort sein Studium zum Bass-Bariton, seine Ausbildung beendete er in Hannover.

VON ANDREAS SCHNELL

Der Blaubart-Mythos hat schon viele Komponisten und Schriftsteller inspiriert. Zwar geht die Geschichte auf einen Kindermörder zurück, allerdings wurde daraus schon bald die Geschichte eines Herzogs, der reihenweise Frauen umbringt. Eine der bekanntesten Opernbearbeitungen stammt von Béla Bartók, das Libretto stammt von Béla Balász und deutet Blaubarts Burg als dessen Seele, in die Judith, die fünfte Braut des Herzogs, nach und nach erschließt – bis ihr der Drang, die Geheimnisse ihres Bräutigams zu enthüllen, zum Verhängnis wird.

Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ ist derzeit in Bremen zu sehen, und zwar in Kombination mit Franz Hummels „Blaubart“. Hummel, der das eigentlich für ein Streichquintett komponierte Werk für die Bremer Aufführung für ein Streichorchester überarbeitet hat, wählt einen deutlich komplexeren Zugriff auf den Stoff, versetzt die Fabel mit Texten von Trakl und Freud und ist doch ideale Ergänzung zu Bartóks Werk, wie Regisseurin Rosamund Gilmore im Programmheft betont. Allerdings endet Hummels Oper glücklich: Dora, Freuds Patientin, die hier für die Judith steht, bricht die Therapie bei Blaubart Sigmund, unschwer als Freud zu erkennen, ab und verlässt ihn als selbstbewusste Frau.

Gilmore, in Bremen bestens bekannt für Inszenierungen wie Victor Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis“ oder die Uraufführung von „Der Herbst des Patriarchen“ von Giorgio Battistelli, hat die beiden Opern in einem subtil ausgeleuchteten und in einem Tränenmeer gefluteten Bühnenbild (Carl Friedrich Oberle) inszeniert, das die beiden Werke motivisch verknüpft, aber auch die Unterschiede herausarbeitet – im zweiten Teil natürlich mit Couch. Bartóks Oper kürzt sie dabei ohne große inhaltliche Verluste um den Prolog, in dem eigentlich die Vorgeschichte erläutert wird,und behauptet so die Auseinandersetzung zwischen dem Herzog und seiner Braut als Grundkonflikt zwischen Mann und Frau: Er, in dessen Feste kein Licht dringt, wehrt sich gegen ihre Versuche, das Dunkel zu erhellen, gewinnt im weiteren Verlauf sogar Lust daran, bis er schließlich seine finstersten Seiten offenbart und Judith umbringt.

Bartóks Musik, die unter dem Einfluss des Impressionismus die Wendungen dieses Duells grandios erzählt, ist bei den Bremer Philharmonikern unter der Leitung von Markus Poschner bestens aufgehoben.

Und auch die Sänger und Sängerinnen bieten eine durchweg starke Leistung. George Stevens ist ein hervorragender Blaubart, nuanciert, kraftvoll, wo es sein muss, aber auch gebrochen, zerrissen zwischen seinen widersprüchlichen Gefühlen, Tamara Klivadenko, die im Wechsel mit Nadia Stefanoff die Partie der Judith singt, lässt zwar ab und zu in der Aussprache zu wünschen übrig, vermag es aber gleichwohl, Stevens Paroli zu bieten.

Der zweite Teil des Abends bietet dann gar noch eine Steigerung in mehrerlei Hinsicht. Wirkt der Bartók vor allem spielerisch ein wenig statisch, präsentiert sich das Ensemble in Hummels „Blaubart“ auch auf dieser Ebene deutlich stärker. Vor allem Steffi Lehmann wurde in den Besprechungen der Premiere hoch gelobt, aber auch Alexandra Scherrmann vom Internationalen Opernstudio Bremen ist eine mitreißende Dora/Judith, die vor allem im Schlusssolo zu großer Form aufläuft. Loren Lang, der am Donnerstagabend zum Kammersänger ernannt wurde, porträtiert Sigmund/Blaubart mit reifem Sex-Appeal, Barbara Buffy als Emmi, Kejia Xiong als übergriffiger Herr K. und Christian-Andreas Engelhardt als Doras Vater setzen in ihren vergleichsweise kleinen Partien Akzente. Dem Theater Bremen ist damit einmal mehr ein so anspruchsvoller wie unterhaltsamer Opernabend gelungen.

■ Nächste Vorstellung am Samstag (heute), 19.30 Uhr, Einführung um 19 Uhr in der Theatergalerie, Theater am Goetheplatz