Auszeit vor dem Arbeitsleben

WARTESCHLEIFE Wer nach der Schule nicht sofort wieder büffeln will, Orientierung sucht oder zwischen Abschluss und Ausbildung Auslandserfahrung sammeln will, hat viele Möglichkeiten. Sie haben gemeinsam, dass sie sich gut im Lebenslauf machen

Die Aufnahme für die meisten Studiengänge hängt vom Numerus clausus (NC), dem Abitur-Notendurchschnitt ab.

■ Wer nicht sofort angenommen wird und auf seinen Studienplatz warten will, kann sich für jedes Semester 0,1 Punkte von seinem Abiturdurchschnitt abziehen.

■ Wartesemester können dann mit Auslandsreisen oder einem freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) überbrückt werden.

■ Bei der Universität einklagen kann man sich, um die Wartezeit zu verkürzen – Garantie auf Erfolg gibt es aber nicht.

■ Studiengebühren gibt es nur in Hamburg, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg. Sie liegen zwischen 300 und 500 Euro pro Semester.

VON MAREN MEYER

Die Schule ist geschafft, der Abschluss in der Tasche und der Ernst des Lebens ist unaufhaltsam ein Stück näher gerückt. Für viele Schulabsolventen stellt sich die Frage: Was nun? Möglichkeiten gibt es genug. Doch die richtige zu finden, ist für viele nicht leicht. Eine Auszeit kann helfen.

„Australien klang nach Abenteuer und ich wollte was erleben“, sagt Roman Kowalczyk. Nach Abitur und Zivildienst wusste er nicht was er machen wollte. Ausbildung, Studium oder Jobben – er entschied sich für ein Jahr „Work and Travel“ in Australien. „Meine Vorstellung war es, anzukommen, einen Job zu finden, Geld zu verdienen und dann durchs Land zu reisen“, sagt er. Die Realität sah anders aus. „In Sidney haben sie niemanden unter sechs Monaten eingestellt.“ Er habe auch das Gefühl gehabt, dass viele Australier von den Backpackern genervt gewesen waren. „Überall haben Leute Deutsch gesprochen“, sagt er, „Australien ist einfach überlaufen von Rucksack-Touristen.“

Auch beim Rumreisen machte er viele Erfahrungen – schlief mit zwei Freunden in einem Minibus: „Wir waren quasi obdachlos“, sagt er, „zum Glück mussten wir nicht auf der Straße schlafen.“ Unterwegs fand er dann Arbeit. „Ich hatte kaum noch Geld und habe eine Zeit lang auf einer Avocadofarm gearbeitet“, erzählt er. „Es war furchtbar.“ Sechs Stunden am Tag habe er eine vorgegebene Menge an Avocados pflücken müssen, für 15 Euro die Stunde. Kein schlechter Lohn, aber „irgendwann kannst du keine Avocados mehr sehen“, sagt er. Die Zeit in Australien habe ihm dennoch viel gebracht. Sprachlich. Und er sei offener geworden – der Kontakt zu den Australien-Bekanntschaften besteht bis heute. Aber „man sollte wissen, dass es eben nicht immer so läuft wie man sich das so denkt“, sagt Kowalczyk.

Die Work and Travel-Organisation AIFS bietet Reisen nach Australien, Neuseeland und Kanada an. Das gefragteste Land ist Australien: „Es ist sehr entlegen und attraktiv, um etwas komplett anderes zu machen. Man hat das Gefühl richtig weit weg zu sein“, sagt Pressesprecherin Barbara Hassels. Den großen Ansturm sieht sie eher positiv. „Viele sind froh im Land Leute kennenzulernen.“ Das habe Vorteile. Man könne sich gemeinsam ein Auto mieten oder einen Teil der Strecke zusammen zurücklegen. Work and Travel sei gut, weil man Jobs mache, die man sich in der Heimat wahrscheinlich nicht suchen würde.

Als Filiz Lippert mit dem Abitur fertig war, wusste auch sie nicht, was sie studieren wollte. „Ich war 18 und wollte vor dem Studium noch Auslandserfahrungen sammeln“, sagt sie. Etwas im sozialen Bereich wollte sie nicht machen und so entschloss sie sich, mit einer Organisation als Au-pair nach Frankreich zu gehen. „Man muss offen und anpassungsfähig sein und vor allem bereit, Familie und Freunde zurückzulassen“, sagt Lippert. Für eine Organisation habe sie sich bewusst entschieden, um sich die Suche nach potenziellen Familien zu erleichtern. Probleme hatte sie nicht, fühlte sich bei ihrer Gastfamilie wohl. „Man wächst an seinen Aufgaben“, sagt die Studentin, „immerhin ist man für sich und ein Kind verantwortlich.“ Empfehlen könne sie ein Jahr als Au-pair jedem. „Ich bin persönlich reifer geworden“, sagt sie.

Wen es nach der Schule nicht in die weite Welt hinaus zieht, kann sich vor Ort sozial engagieren. „Ich wollte mit behinderten Menschen arbeiten“, sagt Martin Meyer. Nach der Schule begann er ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) in den Werkstätten der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg. In zwei Tagen wurde ihm der Umgang mit den teilweise schwerst behinderten Menschen erklärt – dann begann die Arbeit. Die war nicht immer leicht: „Am Anfang hatte ich Berührungsängste“, sagt der 24-Jährige. Er habe nicht gleich gewusst was auf ihn zukomme. „Ich musste Menschen den Hintern abwischen, darauf war ich nicht vorbereitet.“ Rückblickend hat ihn das FSJ aber weitergebracht: „Ich kann offener auf Menschen zugehen, mich auf jeden individuell einstellen.“ Ein Taschengeld in Höhe von 631 Euro monatlich hat er auch bekommen. Neben dem sozialen Jahr sind Tätigkeiten im Bereich Kultur, Sport oder Ökologie möglich.

Eine neue Alternative bietet seit dem 1. Juli letzten Jahres der Bundesfreiwilligendienst (BFD). „Zum freiwilligen sozialen Jahr gibt es kaum Unterschiede“, sagt Peter Schloßmacher, Pressesprecher im Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza). Eine Altersgrenze gibt es nicht, ein Schulabschluss hingegen ist Pflicht. Ein Taschengeld wird bis maximal 336 Euro im Monat ausgezahlt. „Für viele Teilnehmer hat der BFD eine Überbrückungs- und Orientierungsfunktion“, sagt Schloßmacher. Auch würden Arbeitgeber bei Bewerbern vermehrt auf soziale Kompetenzen achten. Der BFD oder das FSJ machen sich also auch gut im Lebenslauf.

Das bestätigt auch Knut Böhrnsen, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit in Hamburg. „Unternehmen werden eher den wählen, der kulturelle oder soziale Erfahrungen gesammelt hat.“ Auch seien Spracherfahrungen durch Auslandsaufenthalte hilfreich.