KOMMENTAR: JAN KAHLCKE ÜBER BLECHERNEN ANTIFASCHISMUS
: Schildbürger in Kiel

Die Schilder dienen vor allem den „anständigen“ Bürgern zur Selbstvergewisserung

Soso, Kiel geht jetzt also gegen Nazis vor. Mit Blechschildern. „Kein Ort für Neonazis“ steht darauf. Das wird den Nazis aber gehörig Angst einjagen. Wahrscheinlich werden sie derart bewehrte Häuser künftig meiden. Und dann werden die übrigen Hausbesitzer denken: Prima Sache, so ein Schild hol’ ich mir auch. Irgendwann wird dann jeder Kieler sein Haus mit einem Schild gegen Nazis schützen wie gegen einen bösen Fluch. Und die Nazis? Werden dann wohl weggehen müssen. Nach Neumünster vielleicht.

Nein, das Thema ist zu ernst, um es durch den Kakao zu ziehen, gerade in Kiel. Dort gibt es mittlerweile ganze Viertel, in denen Nazis offen auftreten, regelmäßig linke Projekte angreifen oder Ausländer bedrohen. Ihnen allen helfen die Blechschilder nichts. Und müssen nicht ermuntert werden, über Nazis zu debattieren, weil sie täglich mit ihnen konfrontiert sind.

Die Schilder dienen vor allem den „anständigen“ Bürgern zur Selbstvergewisserung, dass sie die Guten sind. Nun könnte man sagen, dass die Schilder nicht sehr teuer waren – und zum Fundraising der honorigen Amadeu-Antonio-Stiftung beitragen. Dennoch wäre jeder Euro in der Jugendbildung besser investiert – oder auch in ein paar Polizeistunden für einen Kontaktbereichsbeamten, der „seinen“ Nazis regelmäßig auf den Zahn fühlt und so ernsthaft demonstriert, dass die Stadt die Nazi-Opfer nicht allein lässt.

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