HERTHA GEGEN BREMEN
: Suboptimal

Ich kann nicht gegen Werder sein. Niemals

Hertha BSC spielt gegen Werder Bremen. Mein geliebtes Werder Bremen. Und ich kann nicht hingehen. Die Welt ist ungerecht.

Die Welt, das ist ein Sohn. Sechs Jahre alt. Hertha-Fan. Alle paar Wochen drängt er mich, mit ihm ins Olympiastadion zu gehen. Zu Hertha. Zum Anfeuern. Dabei ist Hertha – sagen wir suboptimal. Bis mein Sohn zum Hertha-Fan wurde, habe ich gesagt: Ich hasse Hertha. Familie zwingt zu Kompromissen, also suboptimal. (Die Tochter ist Fan des 1. FC Köln, da sage ich: Nicht mein Fall. Die Frau sympathisiert mit St. Pauli, dazu sage ich gar nichts.) Im Winter lässt sich der Drang zum Stadion leicht abwehren, dann ist es im Stadion für Kinder zu kalt. Ich will ja nur dein Bestes, sage ich dann. Im Sommer ist Sommerpause, im Herbst regnet es in Berlin viel, im Frühling auch. Hätte Hertha so viele Punkte, wie ich Ausreden habe, der Verein wäre längst Meister.

Vor zwei Jahren waren wir zusammen im Stadion, Hertha gegen Werder. Gegen Stuttgart, Wolfsburg, Bayern – immer wäre ich für die Hertha gewesen, um ihm eine Freude zu machen, ihn zu unterstützen, die Vater-Sohn-Bindung zu stärken, die in dem Alter so wichtig ist. Aber wenn Werder kommt? Ich kann nicht gegen Werder sein. Niemals.

Mit dem Presseakkreditierungsausweis meines letzten Arbeitgebers ging ich ins Stadion, samt Sohn und Werder-Trikot (ich, nicht er). Wegen des Trikots fiel ich auf, die Akkreditierung wurde überprüft, ich hatte nichts geschrieben, es gab nachträglich einen Riesenärger.

Werder gewann, wie fast immer in Berlin. Er weinte, ich war in Siegerlaune. Nicht jeder Widerspruch kann aufgehoben werden. Bis heute steht dieser Tag zwischen uns. Hertha stieg ab. Die Zeitung, für die ich akkreditiert war, gibt es heute in dieser Form nicht mehr. Es geht also nicht nur um mich und meinen Sohn. Es geht auch um die taz.

MAIK SÖHLER