Videokunst wird museal

Die 10. Bonner Videonale findet in diesem Jahr erstmals in den Räumen des Kunstmuseums und nicht im Kunstverein statt. Mit dem Wechsel der Institution wird nicht nur der Austragungsort verändert

VON KÄTHE BRANDT

Goldfische wirbeln und drehen sich in einer Waschmaschine, werden eingeschäumt, gespült und geschleudert. Ma Yongfeng hat mit The Swirl ein durchaus umstrittenes Werk geschaffen. Die hübschen Fische leiden für die Kunst, und sind in ihrer metaphorischen Aufladung doch so etwas wie ein politisches Symbol: Eine Metapher für Folter, soziale Kritik und – zynischer Kommentar zum Künstlerdasein. Ein chinesisches Sinnbild für Wohlstand wird weichgespült, doch ahnt der Besucher, dass eine solche Botschaft auch anders hätte aussehen können.

Der neue Standort der 10. Videonale im Bonner Kunstmuseum, das neben den Ausstellungen auch ein Erbe der Kunst-Geschichte verwaltet, scheint nun der passende Ort einer inzwischen längst etablierten und selbst historisch gewordenen Institution und Kunstform zu sein. Vor gut 20 Jahren organisierten drei Studenten (Bärbel Moser, Peter Unnützer und Dieter Daniels) das erste Video-Festival in Westdeutschland und fanden gleich international regen Zuspruch. Heute ist aus dem Festival eine museale Schau geworden. Mit dieser Umarmung ist aber offenbar keine Antwort gefunden auf die Fragen nach den angemessenen Präsentations- und Rezeptionsbedingungen für Videokunst. Sie erstickt vielmehr jede lebendige Festival-Atmosphäre. So ist es nur folgerichtig, dass in einer historischen Rückschau an die ehemaligen Teilnehmer und heutigen Film-Stars wie Tony Oursler, Gary Hill, Marcel Odenbach oder Shigeko Kubota erinnert wird: noch ein Ausweis der endgültigen und erfolgreichen Musealisierung. Die kinematographischen Installationen, deren Bezugsgröße das Kino ist, hatten in der Blackbox eine bislang gültige Präsentationsform gefunden. Diese ist in der heutigen, technisch anspruchsvollen Ausstellungsarchitektur im Museum großenteils verloren gegangen und mit ihr der Reiz des einsamen, weltfernen Gemeinschaftserlebnisses.

Parallel zur Videonale wird in Bonn die Schenkung Ingrid Oppermann ausgestellt: neben Malerei, Grafik, Fotografie und Objekten aus den 1970er Jahren auch eine einzigartige Sammlung von Künstlervideos der ersten Generation. Diese freudvoll inszenierte Ausstellung kündet vom sprühend wilden Künstler-Leben und dem gemeinsamen Schaffen jener Jahre. Im Rheinland feierte und experimentierte die künstlerische Avantgarde gemeinsam. Und ausnahmsweise schienen Köln und Düsseldorf in fruchtbarer Konkurrenz miteinander ein gemeinsames Projekt voranzutreiben: eine neue, gesellschaftskritische und multimediale Kunst, ein neues Künstlerbild und neue Öffentlichkeit – unter Ausschluss des braven bürgerlichen Kunstpublikums.

Die 49 ausgewählten Wettbewerbs-Filme der Videonale repräsentieren nun das breite Spektrum heutigen Filmschaffens. Vermutlich aber spiegelt die breite Vielfalt vor allem den Anspruch der Jury, tatsächlich eine Museumsausstellung zu kuratieren und einen möglichst umfassenden Überblick zu bieten. Surreale Fantasy-Filme wie Return to Veste Rosenberg von Beate Geissler und Oliver Sann oder Kaltes Märchen, television von Jan Wagner, welche die angedeutete Narration letztlich verweigern, spielen mit den filmischen Mitteln und dem Repertoire des Spielfilms. Alex McQuilkin nimmt mit Get Your Gun Up das Genre des Westerns aufs Korn. Am Ende hat die Arbeit von Roland Schappert und Michael Ebmeyer den mit 5.000,- Euro dotierten Videonale-Preis gewonnen. Und es war nicht einer der narrativen, bildmächtigen Kurzfilme, der ausgewählt wurde, sondern eine still-ironische und fast langweilige Halbdokumentation: Bar/Vegetation (D 2003) zeigt ein Paar mit ihrem Kind, Besitzer einer Berliner Szenebar, während eines Interviews mit dem filmenden Autor. Michael Ebmeyer hat zu der Szene eine Kurzgeschichte geschrieben, die er vorliest, die aber nicht direkt etwas mit der sichtbaren Situation zu tun hat. Sie wird einfach weiter erzählt, während der Film von der Mitte an, kaum merklich, rückwärts läuft. Das Paar raucht, trinkt, schaut sich an, blickt in die Kamera, das Kind in ihrer Mitte greift vergeblich nach der Zigarette und nach dem Sektglas – Leben in seiner trostlosen Banalität.

Kunstmuseum BonnBis 16. Mai 2005