Stadt soll Verordnung entrümpeln

Die „Aktion Hammelschreck“ zeigt Wirkung. Inzwischen macht sich sogar der CDU-Ratsherr Winrich Granitzka für eine Änderung der umstrittenen Straßenordnung stark. Die Regelung sei „überflüssig“

VON ISABEL FANNRICH

Hinterher will es wieder niemand gewesen sein. Nach heftigen Protesten von engagierten Bürgern distanzieren sich immer mehr Ratspolitiker von der umstrittenen neuen Kölner Straßenordnung. Nun möchte der Beschwerdeausschuss des Rates das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen.

Erst im März hatte der Rat das Einsammeln von Pfandflaschen aus öffentlichen Müllbehältern mit einem Bußgeld belegt. Bis zu zehn Euro kann der Griff in die Tonne seitdem kosten. Sogar das Wühlen in Mülleimern schlägt mit fünf Euro zu Buche (taz berichtete). Ebendiesen Paragrafen möchte der Beschwerdeausschuss nun wieder kippen.

Zwar werde das Bußgeld in der Praxis nicht verhängt, sagt der grüne Ausschussvorsitzende Horst Thelen. Doch halte er es für ein wichtiges Signal, die Verordnung wieder zu verändern. Erstaunlicherweise fordern jetzt sogar Teile der CDU, etwa der Ratsherr Winrich Granitzka, eine Novellierung. Es bestehe „kein Anspruch des Staates, hochherrschaftlich dafür zu sorgen, dass die Leute sich nichts aus den Abfallbehältern rausholen“, sagt er zur taz. Die Regelung sei „überflüssig“ und Obdachlosen gegenüber „eventuell auch diskriminierend“. Damit meint Granitzka nicht nur die neue, sondern auch die alte Verordnung von 1985. Schon nach dieser Regelung war das Durchsuchen von öffentlichem Müll verboten – doch bislang war dafür kein Bußgeld vorgesehen.

Dass noch niemand über die alte Verordnung gestolpert ist, verwundert den CDU-Politiker. Denn jedes Jahr entscheide der Rat erneut über die Straßenordnung. Aber anscheinend habe niemand „auf dieses Gesetz geachtet“. Darüber kann der grüne Ratspolitiker Thelen nur lachen: „Liest denn niemand die Vorlagen? Erst ein Gesetz verabschieden, dann sich davon distanzieren.“ Zwar könne kein Politiker sämtliche Papierberge bewältigen, aber einer aus jeder Fraktion müsse sich schon mit dem Thema auskennen. Die SPD und die CDU allerdings „muss man dafür geißeln, dass sie bei dem neuen Gesetz mitgemacht haben“. Die Grünen hätten im März gegen die Straßenordnung gestimmt.

Erst die Medien und eine Aktion des Kölner Straßenmusikers Don Franco hatten die Öffentlichkeit auf den verschärften Paragrafen aufmerksam gemacht. Der Musiker sammelte in der Aktion „Hammelschreck“ mehr als 250 Unterschriften nicht nur von Künstlern und Intellektuellen, sondern auch von Angestellten und Arbeitern. Diese Liste legte er dem Beschwerdeausschuss vor und forderte die Streichung des Paragrafen.

Der Ausschuss will nun nach den Worten des Vorsitzenden Thelen „Korrektiv spielen“ und hat die Verwaltung beauftragt, die Eingabe Don Francos zu prüfen. Wenn sich die Verwaltung beeile, könne das Thema erneut am 23. Mai auf die Tagesordnung kommen, hofft Thelen.

Doch Robert Kilp, Leiter des Ordnungsamtes, sieht keine Notwendigkeit für eine Anpassung. „Den Paragrafen brauchen wir, um Verschmutzung vorzubeugen.“ Sonst liege der Müll auf der Straße herum. Das Gesetz sei ein „Aufruf, dass sich die Leute vernünftig verhalten“. Gleichzeitig will Kilp deutlich machen, „dass wir Obdachlose damit nicht jagen und dass wir vernünftig damit umgehen“. So würden Wohnungslose nicht zur Kasse gebeten, wenn sie etwas aus den Mülleimern nähmen.

Sollte die Verwaltung vorschlagen, alles beim Alten zu belassen, plant Thelen mit dem Beschwerdeausschuss einen Vorschlag zur Abstimmung im Rat erarbeiten. Doch erst einmal könnte der Müllparagraf in den Mühlen der Stadt verschwinden. „Ich habe hier nichts vorliegen“, sagt Amtsleiter Kilp.

Der Straßenmusiker Don Franco lässt sich dadurch nicht entmutigen. Sollte seine Aktion „Hammelschreck“ – „eine Antwort der Straßenmusik auf die Aktion ‚Wintercheck‘“ der Kölner Polizei – nicht genug bewirken, habe er noch eine Option in der Tasche: eine Flaschendemo mit Kulturschaffenden.