Die Feinde unter Beschuss

Neue Bejagungskonzepte hat Schleswig-Holsteins frischer Umweltminister Christian von Boetticher angekündigt. In Friedrichstadt hätte man nichts dagegen, wenn es den Krähen an den Kragen ginge

von Esther Geißlinger

Nein, die Sektkorken haben noch nicht geknallt in Friedrichstadt. „Aber der Sekt liegt schon kühl – nur im übertragenen Sinne natürlich“, meint Bürgermeister Peter Hofmann. Der Verwaltungschef der nordfriesischen Kleinstadt hat ein Problem mit schwarzen Gesellen: mit Krähen. Die rot-grüne Regierung hatte ihn damit im Stich gelassen – aber jetzt könnte alles anders werden. Das hat jedenfalls Christian von Boetticher angekündigt, seit gut einer Woche Minister für Agrar und Umwelt in Schleswig-Holstein. Sein erster offizieller Termin führte ihn zum Landesjägertag – und da blies der Minister das Halali auf die gefährlichsten Feinde des Landes: Krähen und Kormorane.

Schon im Wahlkampf hatte von Boetticher deutlich gemacht, wie er die Natur sieht: Seltene Tier- und Pflanzenarten sollten nur noch geschützt werden, wenn dies einem Zweck diene. Wenn etwa Touristen die Tiere sehen wollten, sagte er – laut Bericht der Lokalzeitung – bei einem Vortrag in Husum.

Nach einer Flut böser Leserbriefe ruderte der Minister in spe zurück: Er habe „nur darauf hingewiesen, dass wir mittels eines Kulturlandschaftsprogramms zusätzliche Maßnahmen fördern wollen, die dem Artenschutz, dem Tourismus und der landwirtschaftlichen Direktvermarktung dienen“. Bisher nicht dementiert hat von Boetticher seine Worte vor der Jägerschaft. Neue „Bejagungs- und Reduzierungskonzepte“ kündigte er an. Betroffen sind Wildenten, Elstern, Bisam, Krähen und Kormorane. Gerade letztere beiden Vogelarten stören nämlich richtig: Kormorane holen Fische aus Reusen, Krähen hocken krächzend in Stadtbäumen.

Aber wie neue Konzepte aussehen sollen, darüber rätseln nicht nur Naturschützer, sondern auch erklärte Feinde der genannten Tiere. Schleswig-Holstein hat bereits eine Kormoran-Verordnung, die erlaubt, die geschützten Tiere abzuschießen, wenn sie an Teichen wildern. Eine Erweiterung, die in Kolonien und damit in den Brutbestand eingreift, scheint fraglich. Für viel effektiver als ballernde Jäger hält der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Karl-Martin Hentschel, die Seeadler, die den Bestand bereits deutlich gesenkt haben.

Er nennt Boettichers Sätze eine „ideologische Debatte“ – auch was die Krähen angeht: „Man hat alles mögliche versucht, aber letztlich regelt sich der Bestand durch die Nahrung.“

Bürgermeister Hofmann in Friedrichstadt sieht das Problem ähnlich. Er wäre die Biester gern los. Die krächzenden Kolonien in der historischen Altstadt stören die Touristen und schrecken vielleicht Neusiedler ab. Aber bisher blieb jede Maßnahmen wirkungslos: „Wir haben es mit sehr intelligenten Vögeln zu tun.“ Ordnungsamtsleiter Norbert Engelke kennt das Verfahren seit Jahren: „Der Gemeindearbeiter kommt mit der Schreckschusswaffe – die Krähen fliegen auf. Er müsste eigentlich gar nicht mehr ballern. Wenn er wegfährt, lassen die Krähen sich wieder nieder.“

„Es gibt die Macht des Faktischen“, seufzt der Krähen-geplagte Bürgermeister: „Die Tiere sind einfach da.“ Selbst wenn die neue Landesregierung die ihr überlassenen Gesetze und Verordnungen ändert, werden viele Bereiche des Natur- und Umweltschutzes durch EU-Gesetze geregelt, die das Land nicht brechen kann.

So darf in der Brutzeit nicht gejagt werden, auch der Eingriff in Bestände ist problematisch: Jäger – das erklären sie zumindest immer – wollen schließlich nur Überschüsse verringern, nicht Arten reduzieren.

So hoffen die Friedrichstädter zwar weiter, bleiben aber skeptisch. Schlimmstenfalls, meint Bürgermeister Hofmann, machen sie wirklich ein paar Flaschen Sekt auf: Der Korkenknall lässt die Krähen immerhin kurz aufschrecken.