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Archiv-Artikel

Verschiebung nach oben

DFB Schon bei seinem ersten Aufritt als Präsident macht Wolfgang Niersbach klar, wo seine Schwerpunkte liegen. Der Amateurfußball wird sich wohl hinten anstellen müssen

„Du wirst dich nicht verändern, denn der Einzige, der versucht hat, dich zu ändern, das war ich – und ich bin gescheitert“

THEO ZWANZIGER ZU SEINEM NACHFOLGER

AUS FRANKFURT AM MAIN ANDREAS RÜTTENAUER

Eigentlich war die Antwort eine Unverschämtheit. Welche Themen er denn in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen wolle, wurde Wolfgang Niersbach gefragt, nachdem er zum neuen Präsidenten des deutschen Fußball-Bundes gewählt worden war. „Den Fußball“, sagte er und der Fragesteller war beinahe so schlau als wie zuvor. Und doch hatte Niersbach mit dieser Nichtantwort noch einmal klargemacht, dass er das Amt anders interpretieren wird als sein Vorgänger Theo Zwanziger. Der legte in Frankfurt noch einmal einen seiner typischen Auftritte hin. In aller Ruhe bilanzierte er seine Arbeit und bedankte sich bei seinen Mitarbeitern. Nur einmal erhob er die Stimme. Laut und eindrücklich mahnte er die versammelte Fußballprominenz zum Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie und zeigte einmal mehr, dass er zu den wenigen Autoritäten in Deutschland gehört, die diese Themen auch dann ansprechen, wenn nicht gerade irgendwo ein rassistischer, antisemitischer oder schwulenfeindlicher Exzess in den Medien diskutiert wird. Viel mehr als einen freundlichen Applaus hat er von den Delegierten dafür nicht bekommen.

Viele von ihnen dürften froh sein, dass sie nun endlich einen an der Spitze stehen haben, für den Fußball nicht viel mehr ist als Sport und Geschäft. Natürlich weiß Niersbach, was sich gehört für einen Präsidenten des DFB. Die antisemitischen Pöbeleien von Fans des 1. FC Kaiserslautern gegen den israelischen Stürmer Itay Shechter hat er Mitte der vergangenen Woche schnell und deutlich verurteilt. Niersbach hat richtig reagiert – ob er bei den gesellschaftlich so wichtigen Themen auch agieren will, das bleibt abzuwarten. In Frankfurt vor dem Plenum war er jedenfalls nicht in der Lage, beim Namen zu nennen, was in Kaiserslautern passiert war, und sprach diffus von Vorfällen.

Was er beschwor, war nicht die gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs. Er predigte die „Einheit des Fußballs“ und kündigte an, dass er alles dafür tun wolle, damit sich der Profifußball nicht irgendwann doch noch loslöst vom guten, alten Vereinsfußball. Dass die Welt der Reichen und auch am Ende des Winters meist gut gebräunten Manager und Vorstände der Profiklubs nicht viel zu tun hat mit den ehrenamtlichen Machern des Amateurfußballs, das war in den Hallen des Hotels, in dem der Bundestag am Freitag stattgefunden hat, nicht zu übersehen. Die grauen Herren aus den Landes- und Regionalverbänden trauten sich kaum Kontakt aufzunehmen mit den Profivertretern. Niersbach ist einer der Funktionäre, die immer die Nähe zu den Profis gesucht haben. Er wird sie weiter pflegen.

Theo Zwanziger wurde von Reinhard Rauball, dem Präsidenten der Deutschen Fußballliga, als „Anwalt des Amateursports“ bezeichnet. Niersbach ist dies gewiss nicht. In Frankfurt lobte er die Bundesligaklubs, die ein bis zwei Prozent ihrer Ticketeinnahmen an die Landesverbände weitergeben würden. Er sagte das so, als müssten die Amateurklubs dankbar dafür sein, als stünde ihnen für die Arbeit an der Basis nichts von den Millionen wirklich zu, die in den oberen Ligen erwirtschaftet werden. Niersbach hat gleich bei seinem ersten Auftritt als Präsident klargemacht, dass sich die Bundesligen keine großen Sorgen machen müssen, wenn bald ernsthaft über einen neuen Grundlagenvertrag verhandelt wird, der das nebeneinander von DFB und DLF und eben auch Transferzahlungen von oben nach unten regelt.

Von den Auto-, Bier- und Sportartikelmillionen, die die Nationalmannschaft (Niersbach: „der Fixstern“) erwirtschaftet, könnte zudem demnächst ein großer Teil in ein zentrales Leistungszentrum investiert werden, für das Oliver Bierhoff, der Manager der Auswahl, seit längerer Zeit wirbt. Hier würde es sich um eine Investition in den Hochleistungssport handeln. Und auch wenn Niersbach in Frankfurt so tat, als sei über dieses Projekt noch nicht endgültig entschieden, so wird längst nach möglichen Standorten gesucht.

Mit der Stadt Köln soll Oliver Bierhoff schon über das 30-Millionen-Projekt verhandelt haben – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Express schrieb von „Geheimverhandlungen“. Dabei geht es um die Nutzung von Bauten in der Nähe des Kölner Stadions. Die Sporthallen, die im Falle einer positiven Entscheidung modernisiert werden sollen, stehen bis jetzt dem Breitensport zur Verfügung. Auch die Jahn-Wiesen vor dem Stadion, auf denen bisher jedermann kicken darf, könnten dann umzäunt und zum exklusiven Trainingsgelände für alle DFB-Nachwuchsmannschaften werden. Die sollen dann möglichst viele Titel gewinnen.

Über die würde sich Wolfgang Niersbach dann ganz besonders freuen. Und vielleicht darf er dann endlich mal wieder in eine Weltmeister-Mannschaftskabine. In Frankfurt hat er erzählt, dass er beim Titelgewinn der Deutschen 1990 in der Pause der Ansprache von Franz Beckenbauer beiwohnen durfte. Er sei sich danach sicher gesessen, dass es schon klappen würde mit dem Titel. Es war dies eine Anekdote aus der Welt, zu der sich Wolfgang Niersbach hingezogen fühlt. Die Vertreter des Amateurfußballs freuten sich am Freitag dennoch über ihren neuen Präsidenten.