Reizvolle Damenstrümpfe und Webkameras

RUSSLAND Der Andrang in den Wahllokalen bei den Präsidentenwahlen im Zentrum Moskaus ist groß. Ausgefeilte Technik soll Wahlbetrug wie im Dezember verhindern. Doch der wird anders organisiert

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Im Wahllokal 1712 am Leninskij Prospekt in Moskau herrscht reger Andrang. Schon morgens kamen mehr Wähler als bei vorherigen Wahlen. Beide Lager, die Anhänger des aussichtsreichsten Kandidaten Wladimir Putin und das heterogene Spektrum der Protestwähler, haben auf breiter Front mobil gemacht.

An der Wand des Wahlbüros in der Berufsschule für Servicekräfte hängt eine Ikone der Mutter Gottes zwischen zwei Webkameras, mit denen die Vorgänge im Wahllokal überwacht werden. Nach den Fälschungsvorwürfen an die Adresse der Regierungspartei Einiges Russland bei den Dumawahlen im Dezember hatte Wladimir Putin die Installation von Webkameras in 96.000 Wahllokalen angeordnet.

Die Hightechausstattung steht in gewissem Kontrast zur Tradition aus Sowjetzeiten. Wie auch heute wartet auf den Wähler ein üppiges Büfett zum Selbstkostenpreis. Auch reizvolle Damenstrümpfe, halterlos, sind im Angebot. Früher war das Wählen ein Volksfest, das Ergebnis stand ohnehin vorher fest.

Auch diesmal wird Wladimir Putin als Kremlchef aus den Wahlen hervorgehen. Dennoch birgt diese Wahl erstmals ein Spannungsmoment. Schafft der angeschlagene Präsidentschaftskandidat den Sprung in den Kreml auf Anhieb oder muss er in eine zweite Runde. Für Aufregung sorgt auch, wie viel Prozent Wahlbetrug auf anderen Wegen organisiert werden.

Im Wahllokal 1712 sind drei Wahlbeobachter zugegen – Studenten der diplomatischen Eliteuniversität MGIMO. Sie gehören als Beobachter zum Team des Präsidentschaftskandidaten Michail Prochorow. Der Milliardär ist der einzige Kandidat, der zum ersten Mal antritt. Alle anderen – der Kommunist Gennadi Sjuganow, der scharfzüngige ultranationale Politclown Wladimir Schirinowski und Putins früherer Intimus Sergej Mironow sind zum x-ten Mal dabei. Nach der Devise: Dabei sein ist alles. Wahlverletzungen stellten die Studenten Alexandra, Dmitri und Sascha nicht fest. „Ist auch klar“, meint Dmitri, „eben wurde ein Bus mit westlichen Beobachtern vorbeigebracht.“

Erhebliche Manipulationen meldeten ihre Kollegen aus dem Moskauer Umland. Dort wurden Wähler mit Bussen zu mehreren Wahlbüros zu wiederholter Stimmenabgabe gebracht. Aus ihrem Engagement machen die Studenten auch an der Hochschule kein Hehl. „Man hat uns nicht gedroht“, erzählt Alexandra. Unter den Studenten gebe es aber noch viele, die den Protest gegen Putin als westliche Verschwörung darstellten.