Schlappe für Ahmadinedschad

IRAN Die Anhänger von Revolutionsführer Ali Chamenei gewinnen die Parlamentswahlen deutlich. Das Ergebnis wird jedoch keine Auswirkungen auf den Atomstreit haben

Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde am Freitagabend um fünf Stunden verlängert

TEHERAN/BERLIN rtr/dpa/taz | Glaubt man den offiziellen Wahlergebnissen, ist bei den Parlamentswahlen in der Islamischen Republik ein Richtungsstreit innerhalb des sogenannten konservativen Lagers entschieden worden. Bei dem Urnengang am vergangenen Freitag erlitt Präsident Mahmud Ahmadinedschad demnach eine schwere Niederlage. Mehr als drei Viertel aller Stimmen gingen nach Zahlen des Innenministeriums vom Sonntagnachmittag an die Anhänger von Revolutionsführer Ali Chamenei. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 90 Prozent der Stimmen ausgezählt. Ahmadinedschad hatte sich mit dem Konzept eines „nationalen Islam“ zuletzt mit der traditionellen Geistlichkeit angelegt, wie Chamenei sie verkörpert.

In der Hauptstadt Teheran gewann das Chamenei-Lager 19 der 30 Wahlbezirke. Auch in anderen Städten wie Ghom, Maschhad oder Isfahan, wo Ahmadinedschad zuletzt noch über 90 Prozent erhalten hatte, siegten Chamenei-Kandidaten. Selbst in ländlichen Gebieten, wo Ahmadinedschad zuvor die meisten Anhänger hatte, konnte das gegnerische Lager etwa 70 Prozent der Mandate erobern. Besonders symbolträchtig scheiterte die Präsidentenschwester Parvin Ahmadinedschad ausgerechnet in Garmsar, der Heimatstadt der Familie, bei dem Versuch, einen Sitz im Parlament zu erobern.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Innenministeriums bei 64,2 Prozent, allerdings habe in Teheran nur jeder Zweite (52 Prozent) gewählt. Innenminister Mostafa Mohammed Nadschar wertete die Wahlbeteiligung als Beleg dafür, dass die Bevölkerung das Regime mehrheitlich unterstützt.

Für die Atompolitik des Landes hat das Wahlergebnis keine Konsequenzen. Strategische politische Entscheidungen liegen im Iran nicht in der Kompetenz des Parlaments, sondern in den Händen des Revolutionsführers. Zahlreiche Länder verdächtigen den Iran, Atomwaffen zu entwickeln, was die Führung in Teheran bestreitet.

Die Wahl wird kein Abbild der Meinung im Land sein – unter anderem, weil der aus Klerikern und Juristen zusammengesetzte Wächterrat viele Kandidaten nicht zugelassen hatte. Reformer hatten kaum eine Chance. Die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen. Inwieweit die offiziellen Angaben zur Wahlbeteiligung der Wahrheit entsprechen, lässt sich ebenfalls kaum überprüfen. Die Öffnungszeit der Wahllokale wurde am Freitagabend um fünf Stunden verlängert, um möglichst vielen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. Bei dem Massenandrang an den Urnen bei der Präsidentschaftswahl 2009 war die Öffnungszeit nur zwei Stunden nach hinten verschoben worden. Ausländische Beobachter waren nicht vor Ort. B.S.

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