■ Eine ganzseitige Anzeige des Ölkonzerns Exxon in der taz ruft Protest von LeserInnen hervor – aber auch Lob für den Werbefischzug
: Irreführende Propaganda

Die ganzseitige Esso-Werbung auf der Seite 2 hat mich schon sehr verwundert, wo doch bekannt sein dürfte, dass Esso, genauer der US-Mutterkonzern Exxon, maßgeblich an der Finanzierung des Bush-Wahlkampfes beteiligt war. Erstaunlich, dass solch ein Konzern Werbefläche in der taz zur Verfügung gestellt bekommt.

Noch erstaunter war ich allerdings, als ich die Werbung las. Esso schmückt sich mit Umweltschutz! Spätestens hier muss sich doch der eine oder andere taz-Mitarbeiter, genauso wie ich, völlig verarscht vorkommen!

Man kann sicherlich nicht erwarten, dass sich jeder noch an eine der größten Ölkatastrophen in der Geschichte erinnert, schließlich ist die Havarie der „Exxon Valdez“ im März 1989 schon über 16 Jahre her. Und es kann auch nicht jeder wissen, dass Exxon noch heute prozessiert, um sich vor der Verantwortung und damit vor Zahlungen zu drücken. Aber man kann davon gehört haben, dass Exxon jetzt, natürlich mit freundlicher Unterstützung der Bush-Regierung, in den Naturschutzgebieten Alaskas Öl fördern wird, obwohl alle Umweltschutzorganisationen vor den katastrophalen Auswirkungen warnen. MICHAEL BENZ, Würzburg

Ich freue mich für die taz, dass auch ihr von den Ölmilliarden, die zurzeit in der Branche auf Kosten von Klima und Umwelt erwirtschaftet werden, etwas abbekommt. Wenn auch nur einen klitzekleinen Bruchteil. Die Anzeige von E$$O hilft euch sicher in den schwierigen Zeiten. Ich bin überzeugt, dass ihr euch redaktionell davon nicht beeinflussen lasst, sondern dadurch mehr Spielraum gewinnt. Zum Beispiel für eine Freianzeige von Greenpeace zum gleichen Thema. KARSTEN SMID, Kampagnenleiter Greenpeace

Wow! Wer hat denn die fette Anzeige an Land gezogen? Bestimmt wird es dafür noch Ärger von den Hardlinern geben. Ich finde die Anzeige klasse. Warum soll so ein Konzern nicht mal Geld für die taz berappen? Und niemand wird gezwungen, den Kram zu lesen. Ich drücke euch die Daumen für weitere fette Werbefischzüge!

BARBARA KIRSCH, Lüneburg

So einige „Kröten“ habe ich im Laufe der vergangenen Jahre geschluckt und euch die Treue gehalten, erst als Käuferin, dann als Abonnentin. Auch die „Simplifizierung“ der ersten Seite hätte ich verschmerzt. Aber den ach so grundgütigen Einsatz des Ölmultis Exxon für die Forschung im Energiebereich ganzseitig beworben zu finden, das reicht mir. Vielen Dank. Ölmulti-Konzern-Werbung kann ich in anderen Zeitungen billiger und ehrlicher haben.

GABRIELE BIRKENHEUER, Köln

Die Esso-Anzeige ist unerträglich. Ich hoffe, es handelt sich um ein Testballon: Mal sehen, ob ihr was merkt. Ihr wollt doch wohl nicht den Profiteuren des weltweiten sozialen Unrechts an dieser Stelle Raum geben? FRANK BORRIS, Bremen

Hahaha, statt „der tag“ die Esso-Werbung (im Stil von „McDonald’s hat jetzt Salat“)! Das hätte die Titanic nicht besser gekonnt. Allen Ernstes: sehr gut, weiter so. MARKUS BRÜGGEMANN, Kiel

„Die Tageszeitung wird ermöglicht durch über 6.000 GenossInnen“ steht auf jeder Seite 1 (und nimmt Platz weg). Die neue Genossin der taz heißt Exxon und darf nicht nur ihr Geld der taz geben, sondern bekommt im Gegensatz zu den anderen gutmütigen, vergleichsweise großzügigen GenossInnen auch noch etwas dafür: die gesamte Seite 2 – und die Tagesredaktion hat frei.

Das ist das Schlimmste, was ich in der taz bislang gesehen habe: einen Schleimer-Konzern mit Riesendreck am Stecken anstelle des redaktionellen Teils. TOBIAS LANGE, Hamburg

Exxon behauptet, dass es gar keine globale Erwärmung gibt, obwohl das Unternehmen selbst zu den größten Verursachern zählt. Exxon lässt sich diese irreführende Propaganda jährlich Millionen Dollar kosten, indem beispielsweise Pseudowissenschaftler bezahlt werden, die dies behaupten. Der Einfluss des Konzerns reicht sogar so weit, dass der renommierte Klimawissenschaftler Dr. Robert Watson seinen Vorsitz beim Internationalen Klimagremium (IPCC) verlor.

Exxon hat mehrfach Anzeigen veröffentlicht, in denen das Kioto-Protokoll als „grundsätzlich fehlerhaft“ und „fatal politisiert“ beschrieben wurde.

Lee Raymond, der Präsident von Exxon Mobil, sagte im Januar 2002: „Kein Politiker in den USA kann und will Kioto umsetzen. Unsere Wirtschaft würde sonst am Krückstock gehen.“ Umweltverbänden wirft Exxon vor, „Fortschrittliche Kohletechnologie und Atomenergie“ zu verhindern.

Menschenrechte stehen bei der Ölförderung in Indonesien, Angola und Kolumbien nicht im Vordergrund. Beim Bau der ca. 1.000 Kilometer langen Pipeline Tschad–Kamerun bleiben Umweltpolitik und Menschenrechte ebenfalls auf der Strecke. Amnesty international berichtete immer wieder über massive Menschenrechtsverletzungen im Tschad: Kritiker des Pipeline-Projekts wurden umgebracht. In Kolumbien betreibt die Firma Intercor, eine 100-prozentige Tochter von Exxon Mobil, das größte Kohlebergwerk Südamerikas: das Cerrejón Norte. Intercor drohte den Einwohnern mit Zwangsumsiedlung, falls sie sich nicht freiwillig mit den geringen Entschädigungszahlungen zufrieden geben und ihr Land verlassen.

Am 24. März 1989 kam es zum größten Ölunfall in der US-Geschichte. Bis 2002 hat Exxon noch keinen Dollar der verhängten Strafe gezahlt – bei einem Jahresumsatz von 213 Milliarden Dollar und einem Jahres-!Netto!-Gewinn von 15 Milliarden US-Dollar!

Im Mai 2002 wurde aufgrund der ach so umsichtigen Geschäfte eine Greenpeace-Kampagne gegen E$$O in Hamburg eingeleitet.

Und die taz druckt hübsche Anzeigen und weiß von nix??? Danke dafür! DIRK TENTLER, Aachen

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