Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Ansicht ist ja noch immer sehr verbreitet, dass Westler nur über den Westen und Ostler nur über den Osten reden dürfen. So ist die deutsche Geschichte immer noch in zwei Hälften geteilt, die doch zu einer Geschichte zusammengefügt werden müssten, statt sich jeweils mit einem Alleinvertretungsanspruch unversöhnlich gegenüberzustehen. Denn was gäbe es schließlich Versöhnenderes, als wenn die so verschieden Sozialisierten in einer Art Reenactment sich die Geschichte der jeweils anderen Hälfte anverwandeln würden? In einem Akt der freundlichen Übernahme sozusagen. Das Performance Kollektiv She She Pop hat in seiner neuen Arbeit jetzt einmal den Versuch unternommen, ostwestliche biografische Erfahrung zusammenzufügen. „Schubladen“ heißt das Projekt im HAU 2, in dem drei Ostmenschen auf drei Westmenschen treffen und gemeinsam den Versuch unternehmen, ihre Erfahrungen zu einer kollektiven Autobiografie zusammenzufügen. Freunden des Reenactments der etwas krasseren Art sei eine Veranstaltung empfohlen, die das Theater 89 plant: „Das Ende der SED – Die letzten Tage des Zentralkomitees“ rekonstruiert am Sonntagvormittag die letzte Sitzung des ZK der SED anhand von Protokollen. Und zwar im ehemaligen Sitzungssaal des ZK, der heute „Europasaal“ heißt und sich im Auswärtigen Amt befindet, das die Räume inzwischen nutzt, die ursprünglich für die Nazi-Reichsbank gebaut wurden. Nach der Uraufführung am Originalschauplatz wird die Inszenierung dann in der Akademie der Künste zu sehen sein. Bis Sonntag findet in der Schaubühne noch das Festival für Internationale Neue Dramatik (F.I.N.D.) statt. Dort wird der europäische Theaternachwuchs präsentiert, die griechische Truppe Blitz-Theatre-Group zum Beispiel, die eine Berlin-Edition ihrer Performance „Galaxy“ zeigt.

■ „Schubladen“: HAU 2, Do–So

■ „Das Ende der SED“: Auswärtiges Amt, So, 11 Uhr

■ F.I.N.D.: Schaubühne, bis So

■ „Galaxy“: Schaubühne, Do + Fr