Bei Putin sitzt Schröder in der ersten Reihe

Der Bundeskanzler nimmt heute zusammen mit Staats- und Regierungschefs aus mehr als 50 Ländern an den Gedenkfeiern in Moskau teil. Schröder fühlt sich geehrt und setzt weiterhin auf die gute Freundschaft zu Wladimir Putin

BERLIN taz ■ Wenn heute aus Anlass des 60. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 2.500 Veteranen stolz über den Roten Platz in Moskau paradieren, wird auch Bundeskanzler Gerhard Schröder als einer von rund 50 geladenen ausländischen Staatsgästen in der ersten Reihe sitzen. Doch damit ist die Audienz Schröders bei „Freund Wladimir“ noch nicht beendet. Anders als bei früheren Besuchen wird Schröder diesmal nicht von Wirtschaftsexperten begleitet, sondern von sieben deutschen Weltkriegsteilnehmern. Mit diesen ist Schröder zu einen Empfang bei Putin eingeladen, an dem auch russische Veteranen teilnehmen werden. Zuvor ist im Programm des Kanzlers noch ein Zwischenstopp auf dem Friedhof Ljublino vorgesehen, auf dem 486 deutsche Soldaten bestattetet sind, die zwischen 1945 und 1949 in Kriegsgefangenschaft starben.

Schon im Vorfeld hatte sich Schröder direkt an seine Gastgeber gewandt. „Wir bitten um Vergebung für das Leid, das dem russischen und anderen Völkern von Hand der Deutschen und im Namen der Deutschen zugefügt wurde“, schrieb Schröder in der Samstagsausgabe der Moskauer Zeitung Komsomolskaja Prawda und fand damit wenigstens diesmal angemessene Worte.

Gegenüber dem deutschen Massenpublikum hörte sich das Ganze schon etwas anders an. In einem gemeinsamen Interview mit der Bild-Zeitung am Freitag beschworen Schröder und Putin die gute deutsch-russische Freundschaft. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien noch nie so gut wie heute gewesen. „60 Jahre nach Kriegsende, 15 Jahre nach der Wende von 1989 sollte eigentlich nichts mehr Deutsche und Russen voneinander trennen“, sagte der Kanzler. Seine Einladung nach Moskau bezeichnete er als große Ehre und Vertrauensbeweis für das deutsche Volk. Angesichts dieser Schönwetterrhetorik mutete es fast schon erstaunlich an, dass Schröder in diesem Zusammenhang darauf hinwies, das Datum 8./9. Mai stehe auch für Vertreibung, Flüchtlingselend und neue Unfreiheit.

Klarere Worte, wie die von US-Präsident George W. Bush bei seinem Besuch in Lettland, geschweige denn Kritik sind von Schröder eben nicht zu erwarten – trotz des Krieges in Tschetschenien und wachsenden autoritären Tendenzen im Reiche Putins. Bei derart ungetrübten Beziehungen ließ der von Schröder zum „lupenreinen Demokraten“ geadelte russische Staatspräsident Bild denn auch gleich wissen, dass er an verstärkten deutschen Investitionen in seinem Lande interessiert sei. Als Anreiz bot Putin gleich noch an, sich für einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat stark zu machen. Auf Russlands Einfluss in dieser Frage darf man gespannt sein. BARBARA OERTEL