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Archiv-Artikel

Marcus Woeller schaut sich in den Galerien von Berlin um

In der Welt jenseits des Römischen Reichs erwarteten die Römer Gefahr und kennzeichneten ihre Landkarten mit „Hic sunt leones“, um vor unerforschtem Terrain zu warnen: Hier sind Löwen. Der deutsch-französische Maler Edouard Baribeaud fürchtet sich nicht vor Grenzübertretungen, er antwortet auf die Gefahren des Unbekannten deshalb auch nicht mit aggressivem Imperialismus, sondern mit irritierendem Humor und subtilem Spaß an der Konfrontation. Die Galerie Nolan Judin zeigt nun neueste Arbeiten des 27-jährigen, in Berlin lebenden Künstlers: großformatige Gouachen auf Papier und schwarz besprühte Tuschzeichnungen. Baribeaud bedient sich leichtfüßig und ohne sich anzubiedern vieler Stile. Er malt surreale Szenen wie Neo Rauch, zeichnet kinematografisch wie Marcel van Eeden und Rinus Van de Velde oder kopiert die Anmutung alter Kupferstiche. In naiven Landschaften, die an Bob Ross’ legendäre „happy trees“ erinnern, passieren „happy accidents“. Menschen starren in tiefe Krater, Schiffe stranden im Dschungel, ein Haus hebt ab im Strudel einer Spirale. Und der Löwe? Tapst als übergroßer König Simba durch die Wüste und erschreckt Autofahrer.   Auch bei Meyer Riegger gibt es Malerei zu sehen, verstörend sexualisierte Gemälde der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn. Der Titel der Ausstellung „Familienraum“ suggeriert Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den dargestellten Personen. Doch scheinen es weniger Porträts zu sein, wenn Gesichter aus den Bildern starren, sondern abstrahierte Schemen, entpersonalisierte Erinnerungen, die sich in Farbverläufen verlieren, um sich dann im exponierten Geschlecht wieder zu materialisieren. Auch Cahns Stadt- und Naturlandschaften sind in Auflösung begriffen. Flüchtig wie Traumbilder, die weniger von ihrer Form und Kontur leben als von intensiver Farbigkeit.

■ Edouard Baribeaud, „Hic sunt leones“, bis 14. April, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Nolan Judin, Potsdamer Straße 83 ■ Miriam Cahn, „Familienraum + andere Arbeiten“, bis 21. April, , Di.–Sa., 11–18 Uhr, Meyer Riegger, Friedrichstraße 235