Keine Blößen

Im Dramatikersalon des Theatertreffens versuchte George Tabori, gegen das Tabori-Klischee anzukämpfen

Das Theatertreffen wird von Veranstaltungen umrandet, zu denen auch ein Dramatikersalon gehört. Im ersten Stock des Festspielhauses werden zu diesem Zweck zwei große rote Sessel aufs Podium gehoben. Am 8. Mai nahm dort George Tabori Platz.

Als Gesprächspartner des fast Einundneunzigjährigen, den die Deutschen schon deshalb lieben, weil er ihnen nie ernsthafte Vorwürfe gemacht hat, dass sein Vater in Ausschwitz ermordet wurde, fungierte der Wiener Burgtheaterdramaturg Joachim Lux. Doch dessen Fragen liefen leer, so wie überhaupt Luxens ganze Dramaturgenklugheit an Tabori abprallte. Wie man denn freiwillig Jahrzehnte seines Lebens auf dunklen Probebühnen verbringen könne, fragte er gleich zu Anfang forsch und mit dem Hintergedanken, schnellstmöglichst Taboris Anekdotenmaschine anzuwerfen. Dadurch war aber auch das Publikum auf dieser dunklen Bühne angelangt, auf der Taboris berühmte Geschichten nur noch selten leuchten und man stattdessen einen alten Mann mit dem Tabori-Klischee kämpfen sieht.

Tabori wusste, was man von ihm erwartete, und gab sich redlich Mühe, den Erwartungen zu entsprechen. Kleine Geschichten, große Namen – immer mit dem Atem der Geschichte darin. Aber man merkte die Kraft, die es ihn kostete, immer noch dieses Tabori-Bild abzuliefern. Sätze und Namen kamen ihm nur schwer über die Lippen. Am leichtesten fiel ihm immer noch sein Credo, dass Theater wie Leben ist, nämlich nicht perfekt und immer anders; dass er deshalb die Proben sogar noch mehr liebt als die Vorstellungen.

„Für einen wie Peter Stein ein Todesurteil“, sagt da der oberkluge Dramaturg, als würde sich irgendwer in diesem Raum jetzt für Peter Stein interessieren. „Stein sehnt sich nach Perfektion, wie viele deutsche Regisseure“, und merkt nicht, was hier für ein klebriger Subtext mitschwingt – von wegen „das Jüdische“ an Taboris Regiestil. Später will Lux von Tabori noch etwas über die preußische Disziplin Brechts hören, um dessentwillen Tabori einst zurück nach Deutschland kam, und schielt auf Entblößungen zum Thema Exil und Heimatlosigkeit.

Auch zu Auschwitz versucht Lux Tabori am 8. Mai 2005 noch einmal etwas zu entlocken. Aber Tabori ist aus dem Alter heraus, wo ihn solche Fragen erreichen, und gibt bloß zu Protokoll, wie er dort einst eine Gruppe israelischer Schüler tröstete, die von Verzweiflung geschüttelt an den gesprengten Resten der Gaskammern lehnten. ESTHER SLEVOGT