EIN URTEIL SCHAFFT MEHR GLEICHHEIT VON MANN UND FRAU VOR DEM KIND
: Zähe alte Rollenmuster

Das Karlsruher Urteil über die Rechte leiblicher Väter ist kein juristischer Schiedsspruch, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Richter haben das Elternrecht von unehelichen Vätern ja nicht etwa gestärkt – sie haben schlicht anerkannt, dass es so etwas überhaupt gibt. Es bedeutet: Ein Mann muss sich das gemeinsame Kind aus einer getrennten Beziehung nicht mehr vollends wegnehmen lassen. Er kann darauf pochen, dass die Ex den Nachwuchs nicht mehr in die Verfügungsgewalt eines anderen Mannes bringt. Immerhin.

Auf dem steinigen Weg zur Gleichberechtigung von Mann und Frau vor dem Kind ist das nur ein erster Schritt. Bislang üben Frauen eine Art Naturrecht aus. Ist das Paar, das ein Kind zeugt, nicht verheiratet, geht das Sorgerecht automatisch an die Frau. Nicht wenige Männer sehen sich so in einer grundsätzlich schlechten Situation: Sie haben sich bewusst zum Kind mit einer Partnerin entschlossen – und sehen sich mit ihrer Liebsten unverhofft in Konkurrenz ums Kind gedrängt. Im Fall der Fälle, und der tritt, wie man weiß, auch in postbürgerlichen Beziehungsformen auf, haben sie kein Recht. Und manchmal ganz schnell keine Chance mehr, der Liebe zu ihrem Kind Ausdruck zu verleihen – weil sie es nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Wenn Männer dieses Schicksal erleiden, treten sie stets ein Spur zu kämpferisch und zu heroisch auf. Das ist kein Zufall, sondern ein Beleg für antiquierte Erziehungsmuster. Männer interpretieren ihre Väterrolle oft eindimensional. Gesellschaftlich ist Erziehung und das ganze Drumherum ganz überwiegend Sache der Frau geblieben. Klar, Väter markieren beim Sonntagskaffee mit Freunden den lässigen Umsorger. Aber wer sitzt mit den kranken Kids beim Kinderarzt? Wer backt wochentags die Kuchen in der Buddelkiste? Wer weiß wirklich, was der Nachwuchs bei Regen anziehen sollte?

Dass ein Bundesgericht erst im Jahr 2005 ein Urteil wie das gestrige sprechen muss, zeigt, wie zäh Rollenmuster selbst in aufgeklärten Gesellschaften weiterleben. Will Mann Enttäuschungen vermeiden, heißt es: Aufwachen und Mitmachen – bevor das Kind da ist. CHRISTIAN FÜLLER