FBI ermittelt an der Wall Street

Die Bilanzskandale weiten sich aus: Auch europäische Versicherer unter Verdacht

NEW YORK taz ■ In den USA geht die Jagd auf die Versicherungsbranche richtig los: Nach dem New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer und der Aufsichtsbehörde SEC hat auch die Bundespolizei FBI Untersuchungen eingeleitet. Die Ermittler sind auf der Suche nach illegalen Transaktionen, die zur Bilanzverschönerung gedient haben könnten.

Entfacht wurde die Neugier der Agenten durch die milliardenschweren Fehleintragungen, mit denen sich die American International Group (AIG) in die Schlagzeilen gebracht hat. Der weltgrößte Versicherer musste vorige Woche zugeben, dass seine Zahlenkosmetik noch dreister war als ursprünglich angenommen. Die Firma will die Bilanzen der letzten vier Jahre korrigieren und das Eigenkapital um 2,7 Milliarden US-Dollar reduzieren.

Aber auch AIG-Wettbewerber sind inzwischen ins Zwielicht geraten: Die Ermittler gehen davon aus, dass auf der Wall Street nur selten Einzeltäter agieren. Diesmal geht es vor allem um so genannte Finite-Risk-Versicherungen, die zur Glättung von Ergebnissen oder Begrenzung von Verlusten benutzt werden können: Das Unternehmen finanziert das abzusichernde Risiko weitgehend selbst, indem es Beiträge in einen Fonds einzahlt, bis die Gesamtdeckungssumme erreicht ist. Ihm steht aber von Anfang an die volle Höhe zur Verfügung. Weil die Wall Street negative Ergebnisse sofort mit abstürzenden Aktienkursen bestraft, sind diese Lösungen, die sich zwischen Bank- und Versicherungsprodukten bewegen, begehrt.

Ebenfalls unter Verdacht steht General Re, ein Rückversicherer, der zur Investment Holding Berkshire Hathaway des Börsengurus Warren Buffett gehört. Mit Hilfe von General Re soll AIG Reserven künstlich aufgebläht haben. Untersucht wird, ob Dokumente im Nachhinein manipuliert wurden.

Die Vorladungen werden nicht nur an US-amerikanische Firmen verschickt. Auch europäische Rückversicherer wie die Hannover Rück, die Münchener Rück und der französische Versicherer Axa müssen die Fragen der SEC beantworten.

Auf dem Kieker haben die Aufseher insbesondere auch Hank Greenberg. Unter dem heftigem Druck der Aufsichtsbehörden musste der langjährige Leiter von AIG vor einem Monat seinen Posten als Verwaltungsvorsitzender abgeben. Der mächtige Versicherungsprofi behauptet, unschuldig zu sein. Die New York Times berichtete allerdings, dass inzwischen eine neue Untersuchung gegen den 80-Jährigen eingeleitet wurde. Diesmal geht es um angebliche Marktmanipulation. Greenberg habe seine Händler zum Kauf der AIG-Aktien aufgefordert, als der Aktienpreis immer weiter nach unten purzelte. Das sei nicht erlaubt. Eine Tonbandaufnahme des Gesprächs wurde von AIG bereits an die Behörden übergeben.HEIKE WIPPERFÜRTH