Arbeit: Weniger bringt mehr

Die Landtagswahlen werden am Arbeitsmarkt gewonnen. Doch über den Arbeitsplatz wird im Betrieb entschieden: Bei ThyssenKrupp Steel soll in Zukunft nur noch 32 Stunden gearbeitet werden, Siemens nützt die 40-Stunden-Woche wenig

VON ELMAR KOK

40 Stunden Arbeit in der Woche reichen nicht, um die Aktionäre des Siemens-Konzerns zufrieden zu stellen. Das war die Botschaft, die Siemens-Chef Klaus Kleinfeld bei der Vorstellung der Konzernergebnisse für das erste Quartal 2005 an die Aktionäre und die Belegschaft der Telefonsparte hatte. Die Arbeiter und Arbeiterinnen von Siemens Communications sollen künftig allein zurechtkommen, kündigte Kleinfeld an. Das Unternehmen wird ausgegliedert, weil es schon von Januar bis Ende März dieses Jahres einen Verlust von 138 Millionen Euro machte und der Aktiengesellschaft die Bilanz zu versauen droht.

Dabei schenken die Mitarbeiter in Bocholt und Kamp-Lintfort dem Konzern seit Juni vergangenen Jahres fünf Arbeitsstunden. Ohne Gegenleistung arbeiten sie 40 statt bisher 35 Stunden – Siemens verzichtete daraufhin auf die Verlagerung der Produktion mit insgesamt 2.000 Stellen nach Ungarn und gab allen Beschäftigten eine zweijährige Jobgarantie. Davon sind nun noch 13 Monate übrig.

Obwohl sie aus dem Konzern geschmissen werden sollen, hoffen die Angestellten und ihre Vertreter immer noch: „Wir setzen darauf, dass uns der Konzern eine Marschverpflegung mit auf den Weg gibt“, sagt Heinz Cholewa, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Bocholt. Das Lunchpaket ist aber wohl eher klein. Zumindest sollen die Firmen Acer und Motorola nach Verhandlungen über eine Beteiligung an der Siemens Handysparte erst einmal abgesagt haben. Cholewa verteidigt die unentgeltliche Mehrarbeit bei Siemens trotzdem. „Es war damals richtig, den Ergänzungstarifvertrag abzuschließen“, sagt er, ansonsten wären die Arbeitsplätze jetzt in Ungarn „und wir aus dem Geschäft“. Dass der Siemens-Konzern, der im ersten Quartal unter Kleinfelds Regie nach Steuern 781 Millionen Euro Gewinn machte, die Communications-Sparte nicht mehr mit durchziehen will, ist für Cholewa ein Trend. „Früher gab es noch die Quersubventionierung“, sagt der Metaller. Heutzutage gebe es „innerhalb der Gemeinschaft keine Risikoabsicherung“.

Dass es dennoch anders geht, will ThyssenKrupp nach dem Tarifabschluss in der Stahlbranche beweisen. Die Firma bemüht sich, ein Arbeitszeitmodell ihrer Tochterfirma Rasselstein innerhalb der gesamten Stahlsparte des Unternehmens einzuführen. „Solange die Tarifverhandlungen laufen, lassen wir das Modell noch in der Schublade“, sagt ThyssenKrupp-Pressesprecher Klaus Pepperhoff. Wilfried Stenz, Betriebsratsvorsitzender von Rasselstein, sagt, das 32-Stunden-Modell sei von den Mitarbeitern entwickelt worden, um insgesamt 80 Kollegen den Job zu sichern. Bei der Einführung des Modells beim Weißblechproduzenten hätten sich die Mitarbeiter 1996 aus Solidarität dazu bereit erklärt, auf „80 bis 140 Mark an Lohn zu verzichten“. Mittlerweile arbeiteten 98 Prozent der Belegschaft nach dem neuen Modell, „nur die, die beispielsweise ein Haus gebaut haben, arbeiten noch mehr“.

Obwohl der Weißblechproduzent nach Einführung des Dosenpfandes zu kämpfen hatte, habe die Arbeitszeitverkürzung zu einer Produktivitätssteigerung und neuen Einstellungen geführt, sagt Stenz. ThyssenKrupp-Arbeitsdirektor Dieter Kroll will das Projekt jetzt innerhalb der Stahlsparte einführen – er war bis 2001 Betriebsrat im Konzern und sitzt jetzt auf der anderen Seite. Stenz warnt aber davor, das Modell von oben durchzudrücken, „dabei kann man sich auch eine blutige Nase holen“. Letztlich müsse die Solidarität aus der Belegschaft kommen und „die ist bei uns 100 pro“.