Freiwillig à la CDU

Niedersachsens Innenminister freut sich über immer mehr Asylbewerber, die „freiwillig“ das Land verlassen. Flüchtlingshelfer dagegen berichten von „Zwangsrückkehr aufgrund von Repression“

von Kai Schöneberg

Kann man am Begriff der „Freiwilligkeit“ deuteln? Für Uwe Schünemann ist das offenbar kein Problem: „Beeindruckend“ sei es, wie sich die Zahl der „freiwilligen Ausreisen“ aus den drei niedersächsischen Einrichtungen für Asylbewerber im letzten Jahr entwickelt habe, freute sich der CDU-Innenminister. Besonders lobenswert sei, dass sich die „Förderung der Ausreise“ im Flüchtlingslager in Bramsche bei Osnabrück aufgrund der „individuellen Beratung“ der Flüchtlinge sogar von 18 auf 95 im vergangenen Jahr verfünffacht habe. Schünemann: „Nachdem wir mitbekommen haben, welche hilfreichen Dinge dort passieren, haben wir dort sogar von Kürzungen abgesehen.“

Solche Aussagen findet Hildegard Winkler von „Avanti“, der Osnabrücker Unterstützergruppe der Flüchtlinge, „einfach richtig zynisch“. Nicht nur, dass „Avanti“ in den vergangenen Jahren immer wieder harsche Kritik an der „menschenverachtenden Behandlung“ der etwa 550 Asylbewerber in „Europas größtem Abschiebeknast“ übte. Laut Winkler kann auch von „freiwilliger Rückkehr keine Rede sein“. Stattdessen würden Asylbewerber im Lager „zur Zwangsrückkehr aufgrund von Druck und Repression“ gezwungen.

„Papier, Papier, unterschreiben, unterschreiben!“, sollen die „Berater“ der Ausländerbehörde gegenüber verunsicherten Flüchtlingen radebrechen, um sie zum Einverständnis zur baldigen Ausreise zu bewegen. Wer sich aufgrund seines laufenden Asylverfahrens weigere, habe mit unschönen Konsequenzen zu rechnen, erzählt Winkler. Extras, die das Lagerleben in der unwirtlichen einstigen Kaserne erleichtern, würden radikal gestrichen.

So werde Flüchtlingen verboten, den Landkreis zu verlassen, um Bekannte und Verwandte zu besuchen. Oder man streiche ihnen das Taschengeld, etwa 40 Euro im Monat. Auch bei den Sachleistungen für „Renitente“, etwa bei Kleidern, wird laut Winkler geknapst. Die Möglichkeit, sich etwas durch Unkrautjäten oder Hausmeisterarbeiten dazuzuverdienen, werde vielen Asylbewerbern genommen. „Wer nicht zurückgeht, darf keine gemeinnützigen Tätigkeiten mehr verrichten“, ärgert sich Norbert Grehl-Schmidt von der Osnabrücker Caritas. „Das ist das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip.“

„Es wird nicht gekürzt, sondern etwas gegeben“, ist die Lesart von Innenminister Schünemann, der mit den „freiwilligen“ Ausreisen im Vergleich zu einer personalaufwendigen Abschiebung viel Geld spart. Davon gab es in Niedersachsen im vergangenen Jahr knapp 1.900.

Lieber setzt Schünemann auf die „zahlreichen Angebote“, durch die „ausreisewilligen Personen ein Neustart in der Heimat erleichtert“ werde: Ausreisewillige erhalten oftmals einen Geldbetrag, in Bramsche gebe es zudem „individuelle Unterstützungs- und Qualifizierungsangebote in den Bereichen Nähen, Klempner/Schlosser, Schweißen/Löten“, als Maurer oder als Maler. Auch, wenn die Flüchtlinge eigentlich Professoren oder Ingenieure sind.

Ohnehin scheint der Widerstand der meisten für den Innenminister aussichtslos. Die Zahlen belegen das: Im vergangenen Jahr wurden in Niedersachsen nur 52 von insgesamt 5.500 Asylanträgen positiv beschieden, bei 38 wurden Abschiebungshemmnisse festgestellt. Andererseits gibt es auch noch das Grundgesetz. Und darin ist, so Winkler, „ein Recht auf Asyl festgeschrieben, das individuell geprüft werden muss“.