Ein Aufstieg in Ruhe

Nach dem 1:0-Sieg bei Eintracht Frankfurt kann auch der MSV Duisburg für die erste Liga planen. Vereinsboss Walter Hellmich will dort „ganz oben“ angreifen und träumt von der Champions League

AUS DUISBURG DANIEL THEWELEIT

Eine Aussage sprudelte wie eine unerschöpfliche Ölquelle, nachdem der Aufstieg des MSV Duisburg vollendet war. „Wir haben einen unglaublichen Zusammenhalt“, meinte Torhüter Georg Koch, bevor auch noch ein halbes Dutzend anderer Spieler den selben Inhalt in verschiedenste Formulierungen packte. Das klingt nach einem simplen Erfolgsgeheimnis des zweiten Aufsteigers, der nach fünf Jahren der Zweitklassigkeit und allerlei Turbulenzen zum insgesamt vierten Mal in die Bundesliga versetzt wird. Auch beim entscheidenden 1:0-Sieg von Frankfurt stemmten die Duisburger sich mit Geschlossenheit und einer bemerkenswerten Leidenschaft gegen den anrennenden Konkurrenten, Abdelaziz Ahanfoufs frühes Tor reichte zur Realisierung des großen Traums. Erfolge, die niemand erwarten konnte, sind doch immer noch die rührendsten, Koch weinte, und Ahanfouf sagte: „Es sind unglaubliche Gefühle in mir.“ Nur wenige trauten dieser Mannschaft eine solch großartige Saison zu.

Mit etwa zwölf Millionen Euro Etat hat der MSV noch nicht einmal die Hälfte der Mittel von Eintracht Frankfurt oder dem 1. FC Köln zur Verfügung gehabt. Aber mit Dirk Lottner sowie vor allen Dingen Ivica Grlic aus Aachen und Georg Koch aus Cottbus, der mit einem gehaltenen Elfmeter (36.) in Frankfurt zum Helden des Abends avancierte, hat sich der Klub fast optimal verstärkt. Grlic und Koch stabilisierten die Defensive zur stärksten Abwehr der Liga, und Trainer Norbert Meier, der in der vergangenen Saison fast gefeuert worden wäre, hat sich überraschenderweise als passender Anführer für dieses Kollektiv erwiesen. Manche Leute aus dem Umfeld spotten zwar, Georg Koch sei der heimliche Trainer, man kann es aber durchaus auch als Meiers Stärke auslegen, dass er den Einfluss von erfahrenen Spielern zulässt. Dass der José-Mourinho-Verehrer in zwei Jahren 22 Spieler holte, nur drei Akteure aus der Ära seines Vorgängers Pierre Littbarski übrig sind, und dieser neue Kader sich tatsächlich als reif für den Aufstieg erwies, dürfen sich zweifelsohne Meier und sein kleines Trainerteam ans Revers heften. Einen Manager hat der Klub nicht.

Der Übervater des Erfolges ist aber Klubchef Walter Hellmich. Als Bauunternehmer erhielt er einst den Auftrag, eine neue Arena in der Stadt zu bauen, doch die Finanzierung des Stadions geriet plötzlich ins Wanken. Hellmich ließ sich in den Vorstand wählen, er baute binnen kürzester Zeit eine wunderschöne Arena sowie etwa 3 Millionen Euro Verbindlichkeiten ab und führt den MSV seit 2002 als Vorstandsvorsitzender. Hellmich hat Visionen. „Nach dem Aufstieg greifen wir in der Bundesliga ganz oben an“, hat er einmal gesagt, selbst den Begriff Champions League nimmt er gelegentlich in den Mund. Der 61-Jährige hat vor Jahren den Dinslakener Tennisverein DTG von der Kreisliga zur deutschen Meisterschaft geführt, jetzt will er Ähnliches im Fußball schaffen. Dirk Lottner findet, Hellmich sei ein „positiv Bekloppter“, Grlic sagte „wir wollen eine große Familie sein und Hellmich ist der Papa“, während der Vorsitzende selber gerührt erklärte: „Es ist der schönste Tag, den ich hier erlebt habe. Ich bin überwältigt, ein großer Tag für den MSV und für Duisburg.“

Der Klub hat sich gewissermaßen angeschlichen an die Bundesliga. Im Schatten der drei großen Absteiger Köln, München, Frankfurt und der nach Uefa-Cup-Erfolgen gefeierten Aachener eilten die Duisburger von Sieg zu Sieg, in sechzehn Heimspielen gingen sie vierzehnmal mit drei Punkten vom Platz. „Die anderen hatten alle während der Saison einen Nebenkriegsschauplatz, Probleme mit dem Trainer oder dem Uefa-Cup, das haben wir vermieden“, nannte Torhüter Koch ein wesentliches Merkmal dieses Duisburger Jahres, und blickte voraus: „Die Neuen müssen sich jetzt in dieses Gefüge integrieren.“ Kommen werden Markus Hausweiler aus Mönchengladbach, Razundara Tjikuzu, der zuletzt bei Hansa Rostock spielte, und der Ex-Freiburger Tobias Willi. Gebraucht wird dringend noch ein Innenverteidiger, der den nach Bochum abwandernden Pavel Drsek ersetzen kann.

So viel Ruhe wie in dieser Saison werden sie allerdings nicht mehr haben auf dem idyllischen Meidericher Trainingsgelände, wohin sich in diesem Jahr nur ganz selten einmal ein Journalist verirrte. Auch der als nur bedingt unterhaltsam geltende Meier, der bei den Fans lange nicht sehr beliebt war, steht da vor einer echten Bewährungsprobe. „Die Leute hier haben so viel Schlechtes erlebt, es ist klar, dass sie skeptisch sind“, entgegnete Meier diesen Überlegungen. „Ich habe hier in Duisburg schon so viel überstanden, diese schlechte Zeit hat mich gestärkt und geprägt.“ Auch deshalb sei es „eine ganz besondere Genugtuung, dass wir das Unerwartete geschafft haben“. Statt sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen, rief Torschütze Ahanfouf die eigentliche Botschaft des Abends in den Nachthimmel: „Wir kommen!“