Gott aus der Waschmaschine

Jahrelang bestrahlte Radio Vatikan die Stadt Cesano mit Elektrosmog – nun wurden die Verantwortlichen verurteilt

Den Rosenkranz gab es aus der Haustür-Gegensprechanlage, die Sonntagsmesse erklang schon mal in der Waschmaschinentrommel, und am Telefon war statt der Omi gelegentlich der Papst zu hören: Die Bürger des Städtchens Cesano nördlich von Rom mussten über Jahre in jeder Lebenslage mit religiösen Attacken rechnen. Damit nicht genug: Automatische Hoftore öffneten sich wie von Geisterhand gesteuert, Fernseher wechselten ungefragt den Kanal, Mixer gingen an und aus. An dem Grund des Spuks hatten die Menschen in Cesano keinen Zweifel: Direkt vor ihrer Haustür sendet Radio Vatikan auf einem Riesengelände von über 400 Hektar mit 42 Sendemasten seine frommen Programme in die ganze Welt und bestrahlt zugleich die Anwohner fleißig mit Radiowellen. Das ist nicht nur lästig, es ist auch gefährlich. In einem Umkreis von zwei Kilometern um das Sendegelände herum stellten die Gesundheitsbehörden der Region Latium ein sechsfach höheres Leukämierisiko für Kinder fest, bei sechs Kilometer Abstand wurde immer noch ein doppeltes Risiko registriert.

Nach jahrelangen Bürgerprotesten und juristischen Auseinandersetzungen erhielt Radio Vatikan jetzt die erste Quittung. Eine Richterin verurteilte die Senderverantwortlichen Kardinal Roberto Tucci und Pater Pasquale Borgomeo am Montag zu zehn Tagen Haft, ausgesetzt zur Bewährung, sowie zu Schadensersatz an die Nebenkläger. Die Richterin befand, die Bestrahlung des Umlands mit elektromagnetischen Wellen erfülle den Tatbestand der „gefährlichen Ausbringung von Sachen“. Radio Vatikan will in Berufung gehen. Hauptargument des Papstprogramms: Die italienische Justiz sei gar nicht zuständig, da das Sendegelände zum Vatikanstaat gehöre und deshalb extraterritorial sei. Vor allem aber hoffen die Verantwortlichen auf die Verjährung der Straftat: Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre bis 2002 (mit Verjährung 2006); danach hatte Radio Vatikan die Sendeleistung gedrosselt.

Dennoch sprechen die italienischen Umweltverbände von einem „historischen Urteil“; sie erwarten, dass die Chefs des Senders in einem zweiten, wichtigeren Verfahren ebenfalls verurteilt werden: in dem anhängigen Prozess wegen fahrlässiger Tötung, in dem es um die Leukämiefälle in Cesano geht. Mit dem aktuellen Urteil im Rücken will das Bürgerkomitee außerdem seine Kampagne zur völligen Schließung des Sendergeländes intensivieren. Michael Braun