Eine Macht im internationalen Betrieb

Cannes Cannes (1): Große Namen schmücken die 58. Filmfestspiele. Und man hofft, sie halten, was sie versprechen

Die Erwartungen an das 58. Filmfestival von Cannes verhalten sich umgekehrt proportional zur Kürze dieses Textes. Das Wettbewerbsprogramm, das heute Abend mit „Lemming“ von Dominik Moll eröffnet wird, umfasst 21 Filme; zu den eingeladenen Regisseuren zählen keine Geringeren als Lars von Trier, Atom Egoyan, die Brüder Dardenne, David Cronenberg, Michael Haneke, Hou Hsiao Hsien, Johnnie To, Gus Van Sant und Jim Jarmusch. Noch bevor auch nur ein Film läuft, hat die Namensliste schon bewiesen, wie mächtig das französische Festival ist. Cannes hat die Kraft, die interessantesten Filmemacher an sich zu binden. In diesem Jahr verwendet sich das Festival mit Nachdruck für das cinéma d’auteur, den Autorenfilm, selbst wenn mit George Lucas’ „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ ein großes Blockbuster-Ereignis seinen Platz findet.

Dass Thierry Frémaux, der künstlerische Leiter, so renommierte Filmemacher hat einladen können, hat viele auf der Hand liegende Vorteile. Fast jeder Film des Wettbewerbs birgt ein Versprechen, und auch jenseits des Wettbewerbs sieht es gut aus. Außer Konkurrenz etwa läuft „Match Point“, ein neuer Film von Woody Allen. In der Reihe „Un Certain Regard“ wird ein neuer Film des südkoreanischen Regisseurs Kim Ki-duk, „Hwal“ („Der Bogen“), gezeigt; außerdem Christoph Hochhäuslers zweiter Film, „Falscher Bekenner“. Der junge Berliner Regisseur wird von der französischen Kritik geschätzt; sein Debüt „Milchwald“ und einige andere deutsche Filme – unter anderem „Marseille“ von Angela Schanelec und „Unterwegs“ von Jan Krüger – boten kürzlich den Cahiers du Cinema Gelegenheit, von einer Nouvelle vague allemande zu schwärmen. Das entbehrt nicht der Ironie: In Frankreich scheinen diese Filme bekannter zu sein als in Deutschland.

Die Auswahl birgt natürlich auch Gefahren: Ein Name allein ergibt nicht zwangsläufig einen guten Film, und eine bestimmten Form des Kunstkinos neigt zur Erstarrung, insofern sie nichts anderes als die Weltsicht in die Jahre gekommener Herren darstellt. Und was, wenn bestimmte Regisseure eine Art Abonnement auf einen Wettbewerbsplatz haben, während anderswo die blinden Flecken die Größe von Feldern annehmen – etwa dort, wo Frauen Filme machen? Thierry Fermaux widerspricht entschieden: „Es gibt keine automatische Zugangsberechtigung.“ Naturellement.

CRISTINA NORD