Was vom Regenwasser übrig blieb

ZERSTÖRUNG Im Hamburger Schanzenviertel muss eine Pilotanlage für Regenwassernutzung dem Profitstreben von Immobilienspekulanten weichen. Die Stadt, die das Projekt einst gefördert hatte, hat das Areal verscherbelt

■ 1990 gibt Montblanc die Füller-Herstellung in der Schanze auf.

■ Die Stadt kauft und saniert die Gebäude. Die Volkshochschule, das Hotel Schanzenstern und das Programmkino 3001 ziehen ein.

■ 2006 verkauft die Stadt das Areal an die Deutsche Immobilien Chancen-Gruppe (DIC).

■ 2008 verkauft die DIC es für sieben Millionen Euro weiter an die „Schanze 75 GmbH“ von Mario Stephan und Bent Jensen.  ROR

VON ROGER REPPLINGER

Freitag, kurz vor zwölf, auf einer Baustelle im Hamburger Schanzenviertel. Ein Bagger reißt Betonbrocken aus der Erde. Sie gehören zu einer bestens funktionierenden Regenwassernutzungs-Anlage, die einst ein Pilotprojekt war. Jetzt muss sie für den Keller eines Neubaus weichen. Eigentumswohnungen, natürlich, das ist in einer der begehrtesten Wohnlagen Hamburgs keine Frage.

Das Grundstück in der Bartelsstraße, neben dem Hotel Schanzenstern, gehörte mal dem Füller-Hersteller Montblanc. Als der vor 22 Jahren das Schanzenviertel verließ, erwarb die Stadt das Areal. Die Volkshochschule zog ein, das Programmkino 3001 und das Alternativ-Hotel Schanzenstern, das günstige, behindertengerechte Zimmer anbietet und im Erdgeschoss ein Bio-Restaurant betreibt.

Da passte es, dass auch eine Regenwassernutzungs-Anlage mit unterirdischen Zisternen gebaut wurde. Zuschüsse kamen von der Umweltbehörde, weil auch Regenwasser vom Dach der Volkshochschule in die Zisternen floss. „Das Argument war, dass in der VHS viele Menschen sehen können, dass man mit Regenwasser spülen kann, deshalb hing über jedem Klo ein Aufkleber: Du spülst mit Regenwasser“, sagt die Architektin Elinor Schües.

Es war die erste Regenwassernutzungs-Anlage für Gewerbegebäude. „Heute kann man Systeme komplett kaufen“, sagt Schües, „wir haben das selbst zusammengestrickt.“ Die Pumpe im Keller des Schanzenstern läuft seit 1989. „Wir haben auch die Anwohner gefragt, wie sie es mit dem Wasser halten“, sagt Schües. „Ihr könnt unser Regenwasser haben“, sagten die. Kam also ganz schön was zusammen.

„Wir haben über die Jahre etwa die Hälfte unseres Brauchwassers von den Zisternen bezogen“, sagt Hermann Oberth, Geschäftsführer des Schanzenstern, „so war die Anlage ausgelegt.“ Fürs Hotel, die anderen Gewerbebetriebe und die Anwohner, die mit Regenwasser spülten, machte sich das finanziell bemerkbar. Oberth schätzt: 2.000 Euro Ersparnis im Jahr beim Schanzenstern, etwa 50 Prozent der gesamten Brauchwasserkosten.

Dass es damit nun vorbei ist, ist zuallererst die Schuld der Stadt. Als der CDU-Senat mal wieder dringend Geld brauchte, verkaufte Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) das Areal im November 2006 an die Deutsche Immobilien Chancen-Gruppe (DIC) – im Paket mit über 50 weiteren Immobilien. Keine zwei Jahre später verkaufte die DIC den Schanzenhof für sieben Millionen Euro weiter an die „Schanze 75 GmbH“ von Mario Stephan und Bent Jensen, die überall in Hamburg Immobilien kauft, wo ein großstädtisch-alternatives Milieu entstanden ist, und es damit zerstört. Ein Schnäppchen. Die beiden haben das handtuchbreite Grundstück neben dem Schanzenstern mittlerweile abgetrennt und abermals verkauft, an den Bauherrn der Eigentumswohnungen.

Hotelier Oberth hat Bent Jensen vorgeschlagen, die Tanks zu versetzen und durch Kunststoff zu ersetzen. Jensen meinte: „Wirtschaftlich sinnlos.“ Für ihn schon, da die Wasserkosten der Mieter trägt, „für uns nicht“, meint Oberth. Jensen hat versprochen, „sich noch mal mit der Sache zu beschäftigen“, sagt Oberth, der nicht weiß, „ob der das ernst meint“.

Nun ist es kurz nach zwölf und ein Laster fährt die Betonteile der Zisternen weg. Die Fallleitungen gehen in Zisternen, die bis auf eine weg sind. Wenn es in den nächsten Tagen regnet, gibt es ein Problem.