MÄNNER UND SO
: Ein gewisser Trend

Ich hab Sauerkrautsaft für mich entdeckt

Die U-Bahn ist schon wieder supervoll. Neben mir unterhalten sich zwei Männer, die sind vielleicht Mitte dreißig oder kurz vor vierzig. „Ich finde ja die meisten Männerzeitschriften echt nicht zu gebrauchen“, sagt der eine. „Nee, die kann man wirklich nicht lesen“, sagt der andere, „muss man aber auch gar nicht. Ich kaufe ja seit einer Weile die Brigitte, und die ist echt gut.“

„Ach“, sagt der erste, „daran hab ich noch nicht gedacht.“ „Doch, die lohnt sich“, sagt der erste. „Da hab ich zum Beispiel die Sache mit dem Apfelessig her. Ich trinke jetzt morgens immer ein Glas lauwarmes Wasser mit drei Esslöffeln Apfelessig. Total gut fürs Körpergefühl. Und entschlackt auch, glaube ich.“

Ich gucke ihn unauffällig an, um zu sehen, ob er das ironisch meint. Offenbar nicht. Igittigitt. Der andere Mann antwortet, was ich denke: „Uh, nee, das wär mir zu eklig.“ Und dann aber noch: „Ich hab ja Sauerkrautsaft für mich entdeckt. Muss man sich dran gewöhnen, aber dann geht es.“ Ich muss leider aussteigen. Dieses Gespräch geht mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Abends bin ich mit Stefan und ein paar Freunden in einer Kneipe. Wir trinken Bier und Schnaps, und irgendwann geht es Stefan ziemlich plötzlich ziemlich schlecht. Ich frage: „Wollen wir nach Hause?“ Er nickt. Ich zahle, und er geht schon mal raus. Wir laufen ganz langsam die Urbanstraße lang. Er tut mir leid. An der Kreuzung sagt er: „Ich kann nicht weiter, ich muss erst kotzen.“ Ich sage: „Du kannst doch hier nicht kotzen, wie sieht denn das aus?“ Er zuckt mit den Schultern und schaut mich an: „Wie eine Pizza.“ Er grinst. Aber er muss nicht kotzen. Zu Hause sage ich zu ihm: „So, jetzt trink mal ein Glas Wasser, Finger in den Hals, kotzen und dann schlafen.“ „Nee, das kann ich nicht“, sagt er. Das regt mich auf. „Mann! Du bist so ’ne Memme.“ „Nee“, sagt er und kuschelt sich ins Bett, „ich bin postgender.“ Ach so.

MARGARETE STOKOWSKI