Lebemann ermittelt

Ulrich Tukur ist ein echter Herr. Und als Prachtexemplar einer aussterbenden Spezies wird er gern für historische Stoffe besetzt – zuletzt als „John Rabe“

Gut möglich, dass Ulrich Tukur seinen Rhythmus Boys schon einen Gastauftritt im neuen Hessen-„Tatort“ vermittelt hat. Denn genau wie ihr Bandleader schwärmt auch der Wiesbadener LKA-Ermittler Felix Murot, den Tukur von 2010 an verkörpern soll, für die Musik der 20er-Jahre.

Bei einem Abendessen im April 2008 haben Tukur und HR-Fernsehspielchefin Liane Jessen die Figur entwickelt, die ihrem Darsteller auch sonst sehr nahe wirkt: ein distinguierter Einzelgänger, der gutes Essen mag und auf ein stilvolles Äußeres achtet. Denn auch Tukur selbst, der mit seiner zweiten Frau in Venedig lebt, gehört zu den wenigen Menschen, die einen Smoking so selbstverständlich tragen können wie andere nur Jeans und Pulli. Tukur ist ein echter Herr. Als Prachtexemplar einer aussterbenden Spezies wird er gern für historische Stoffe besetzt: „Stauffenberg“, „Das Leben der Anderen“. Zuletzt brachte ihm die Titelrolle in „John Rabe“ den Deutschen Filmpreis ein.

Schon in sechs Wochen beginnen die ersten Dreharbeiten am nordhessischen Edersee. Genau wie seine niedersächsische LKA-Kollegin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) wird auch Murot immer an einem anderen Ort ermitteln. Die einzigen Konstanten: Sekretärin Magda Waechter (Barbara Philipp) – und „Lilli“, der verkapselte Tumor in Murots Kopf, von dem dessen Kollegen nichts ahnen.

Mit der Berufung Tukurs zum „Tatort“-Ermittler entwickelt sich eine Hauptrolle in der seit 1970 laufenden Krimireihe mehr denn je zur Ehrendoktorwürde für arrivierte deutsche Film- und Fernsehschauspieler: Prahl, Liefers, Milberg, Mattes – und nun eben Tukur. Dazu passt, dass der 52-Jährige nur wenige Verpflichtungen eingeht: Einmal im Jahr soll Tukur für den „Tatort“ vor der Kamera stehen, und zwar nicht als Nachfolger von Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf, die 2010 aufhören (taz berichtete), sondern als zusätzlicher Ermittler. Damit ist laut HR auch keine Entscheidung über die Zukunft eines „Polizeirufs 110“ aus Hessen gefallen. Eine Neubesetzung ist allerdings unwahrscheinlich, denn die Stelle des Bad Homburger Hauptkommissars Thomas Keller (Jan Gregor Kremp) ist schon anderthalb Jahre vakant.

Und wenn dort wider Erwarten mal ein Verbrechen passiert, kann ja nun Felix Murot vom LKA einreiten. DAVID DENK